Klatschmohn
Finger. Orchideen und die gängigsten Nobelparfüms waren geschmackvoll aufgestellt. Hier konnte man sich wirklich erfrischen.
Anstatt einer Klodame saß eine junge Asiatin in einem Separee und bot Handakupunkturmassagen an.
Kein schlechter Schuppen.
Gerade als ich das Örtchen verlassen wollte, sah ich eine bekannte Gestalt auf die Toilette zusteuern. Witta!
Das durfte nicht wahr sein! Die Stadt wurde eindeutig zu eng für uns beide!
Wir waren doch nicht in der Provinz, wo nur eine Dorfdisco zur Auswahl stand.
Aber ich hätte mir auch denken können, dass sie eine exklusive Cluberöffnung nicht verpassen würde.
Ob Katharina und Lilli sie schon gesichtet hatten? Auf keinen Fall wollte ich mit ihr zusammenstoßen. Ich machte kehrt und verschwand in einer der Kabinen.
Die Füße reckte ich vorsichtshalber in die Höhe, nicht dass Witta mich an den Schuhen erkannte. Warum trug ich heute nur kein neues Paar! Na ja, wenigstens tat die Übung meinen Waden gut, und allzu lange konnte sich selbst eine eitle Witta Stadtheimer nicht frisch machen.
Sie kramte in ihrer Tasche und ich hörte, wie sie Puderdose und Lippenstift herauszog. Dann spritzte sie sich mit einem süßlichen, viel zu schweren Parfüm ein. Ich roch deutlich »Poison« von Dior. Wie passend!
Ihr Handy klingelte. O nein! Wenn sie hier drin Empfang hatte, hatte ich den auch. Ich versuchte, unbemerkt in meine Tasche zu greifen und mein Handy auszuschalten.
Witta säuselte. »Hältst du es nicht eine Minute ohne mich aus? Oder willst du schnell nachkommen, du Schlingel, es ist niemand hier. Wir wären alleine.«
Es konnte sich nur um Leander handeln. Das hatte gefehlt, den beiden live auf der Toilette beim Quickie zuzuhören!
Anscheinend wollte Leander ausnahmsweise mal nicht ihren biegsamen Körper vögeln, denn Witta flüsterte erschrocken:
»Was, die sind hier? Dann kann Pia auch nicht weit sein.«
Wenn sie ahnte, wie richtig sie mit dieser Annahme lag.
»Aber sie hat doch mit dir Schluss gemacht. Wieso sollen wir uns dann verstecken? Okay, ja, ich weiß, dass sie nicht doof ist. Also gut, ich nehme mir ein Taxi, und wir treffen uns später bei dir.«
Dass Witta dreist war, war nichts Neues, dass beide aber nicht einmal zwei Tage offizieller Trauerzeit anstandshalber vergehen lassen konnten vor ihrem ersten gemeinsamen Auftritt, fand ich bemerkenswert.
Vorsichtshalber wartete ich eine Weile ab, dann stahl ich mich zurück.
»Wo warst du denn so lange? Wir wollten dich gerade suchen gehen. Rate mal, wer gerade hier aufgekreuzt ist?«
Ich winkte ab. »Leander und Witta. Ich weiß. Witta war auf dem Klo und musste wegen mir türmen. Anweisung von Leander.«
Ich musste lachen. Wie war das gewesen? Man konnte das Leben immer als Komödie oder Tragödie sehen. Die Situation war einfach absurd, und Leander verlor immer mehr an Anziehung, vor allem wenn man seine hektischen, unsouveränen Manöver hautnah mitbekam.
Fast bemitleidete ich Witta. Sie steckte für ihren Platz an der Sonne einiges ein. Es tat gut, den großen Leander Berglandt als das zu sehen, was er war. Ein eitler Fratz mit schlechtem Frauengeschmack.
Hoch die Tassen! Das musste gefeiert werden.
Unglaublich, wie schnell die Woche vergangen war! Es war Montag, und Max hatte sich immer noch nicht gemeldet. Wenn ich versuchte, ihn zu erreichen, ging die Mailbox an. Nicht, dass ich mir Sorgen machte, schließlich war er ein großer Junge, und wenn jemand auf sich aufpassen konnte, dann er. Nein, vielmehr war es langweilig ohne ihn und die Stimmung sehr viel spaßfreier im Verlag.
Vielleicht hatte er jemanden kennen gelernt oder ein neues Jobangebot. Bei einem Freischaffenden konnte man nie wissen.
Auch Vera vermisste Max schmerzlich.
»Was haben wir zu lachen, wenn Max da ist. Ach, und was haben wir erst anzuschauen!«
»Na, jetzt übertreib mal nicht. Wer weiß, vielleicht sonnt er sich gerade mit einer Urlaubsbekanntschaft am Strand«, konterte ich.
Vera musterte mich. »Das halte ich für ausgeschlossen. An Frauen war der in letzter Zeit nicht besonders interessiert.«
Leider hatte ich Einwände.
»Da muss ich dich enttäuschen. Ich habe ihn neulich besucht und fand ihn mit einem Mädel namens Bettina in eindeutiger Pose vor.«
Vera seufzte. »Ja, ich weiß. Mit der hat er was gehabt, um sich abzulenken.
Er hat mir anvertraut, dass sein Herz für eine Frau schlägt, die verbandelt ist, und er darunter leidet, sich aber nichts anmerken
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