Klatschmohn
geschlagenen Stunde warteten wir unauffällig vor dem Eingang der Klinik, soweit man eben unauffällig mit einer Katharina von Steinbeck sein kann.
Sie hatte ihre eigene Theorie aufgestellt. »Weißt du, Pia, das hier scheint ihr schwacher Punkt zu sein, und wenn wir sie erst einmal dazu bringen, darüber zu sprechen, rückt sie sicher auch mit der Geschichte von Leander raus. Du wirst sehen, es hat einen Grund, dass sie ohne ihren Freund da ist, und da braucht sie doch erst recht jemanden, dem sie sich anvertrauen kann. Da sind Fremde manchmal besser als enge Freunde.«
Gerade als ich Katharina vorschlagen wollte, uns wieder ins Casper zu setzen, sah ich Leonie Windler vor dem Portal. Sie wirkte mitgenommen und hatte gerötete Augen.
Katharina zwickte mich aufgeregt in den Arm. Leonie ging geradewegs auf uns zu, ohne mich wahrzunehmen.
»Leonie, was machen Sie denn hier?«, rief ich.
Sie blickte mich argwöhnisch an. »Das Gleiche wollte ich Sie auch gerade fragen!«
»Ja, das ist ja wirklich ein Zufall! Kaum zu glauben! Das ist meine Freundin
Katharina. Wir waren im Casper und haben uns auf einen Kaffee getroffen«, leitete ich das Gespräch ein.
Katharina und Leonie machten sich bekannt.
»Wir könnten doch kurz auf einen Kaffee gehen, wo wir uns schon getroffen haben«, schlug ich vor.
Leonie zögerte. »Eigentlich wollte ich nach Hause. Ich fühle mich nicht so gut.«
»Dann wird Ihnen ein Kaffee erst recht gut tun«, drängte ich sie.
Widerwillig stimmte sie zu.
Wir gingen ins Casper und setzten uns in ein Séparée. Nachdem die
Bedienung drei Latte Macciato gebracht hatte, begann ich, Leonie auf den Zahn zu fühlen. Ich fühlte mich nicht sehr wohl dabei, denn sie sah wie ein Häufchen Elend aus.
Erst sprachen wir über Belangloses. Leonie wirkte abwesend und lächelte höflich zu unserem Gespräch. Katharinas Tritte unter dem Tisch wurden penetranter.
Ich wagte einen Vorstoß. »Was haben Sie eigentlich in dieser Klinik gemacht? Sie sind doch hoffentlich nicht krank?«
Leonie schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin ich nicht krank, zumindest nicht akut. Ich wollte mich nur informieren.«
»Aber das ist doch eine Klinik für künstliche Befruchtung?«
Ich sah sie fragend an.
»Ich möchte nicht darüber sprechen«, erwiderte Leonie und begann zu zittern.
Ich warf Katharina einen Blick zu und gab ihr ein Zeichen, es dabei zu belassen.
Doch Katharina dachte nicht daran. Sie nahm Leonies Hand und sagte Vertrauen erweckend:
»Keine Sorge. Wir können schweigen. Wir sind unter uns, Sie müssen keine Scheu haben. Das ist sicher sehr schwer für Sie.« Super! Genau in die Kerbe!
Leonie liefen Tränen über die Wangen. Ich kannte das Gefühl, wenn man kurz davor steht zu weinen, sich zusammenreißt und dann irgendjemand so nett oder verständnisvoll zu einem ist, dass man die Fassung verliert und nichts dagegen ausrichten kann.
Katharina lächelte sie an. »Vielleicht sollten Sie sich Luft machen. Es hilft sicher, wenn Sie darüber sprechen.«
Leonie schniefte. »Ich weiß nicht, ob ich Kinder bekommen kann.«
Katharina nahm sie in den Arm und zum ersten Mal konnte ich sie mir als Mutter vorstellen.
»Wer sagt denn so was? Das kann doch gar nicht sein, so ein bezauberndes Geschöpf, wie Sie es sind, muss sich fortpflanzen. Das hat die Natur bestimmt gewollt.«
Leonie wischte sich mit dem Handrücken über die Nase.
»Mein Freund und ich versuchen bereits seit zwei Jahren Kinder zu
bekommen. Jedoch ohne Erfolg. Wir haben schon alles versucht.«
Katharina schüttelte den Kopf. »Und jetzt denken Sie, das liegt an Ihnen, oder weshalb sind Sie ohne Ihren Freund in die Klinik?«
»Weil ich genau weiß, dass es an mir liegt und nicht an ihm«, flüsterte sie.
»Hat er sich denn testen lassen?«, fragte ich vorsichtig nach.
Leonie verneinte. »Das muss er auch nicht. Es liegt an mir.«
»Solange er sich nicht hat testen lassen, können Sie das gar nicht wissen«, versuchte Katharina Leonie zu beruhigen.
Doch sie war sich ihrer Sache sicher.
Aber wenn sie sich so sicher war, weshalb hatte sie ihren Freund zu diesem Termin nicht mitgenommen? Auf mich hatte er sehr liebevoll und verständnisvoll gewirkt. Auf meine Frage zuckte sie zusammen.
»Er weiß hiervon nichts, und er darf es auch nicht erfahren.«
»Wieso denn nicht? Es ist doch auch sein Problem. Es ist nicht gut bei einer so entscheidenden Angelegenheit, nicht offen zu sein. Er sollte hier sein
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