Klausen
Anliegen derer, die zuvor im Schankraum des Kellers beieinander gesessen hatten. Er fragte nach der Beteiligung Delazers an den Ereignissen der vergangenen Nacht. Kati schaute ihn fragend an und wollte wissen, von welchen Ereignissen er rede. Was sei denn heute nacht geschehen, sie wisse von nichts. Gasser setzte ihr die Dinge nun im einzelnen auseinander, unter anderem erfuhr Kati aus seinem Munde zum ersten Mal ausführlich von Taschner und seiner Initiative, und daß Sonjas Bruder zusammengeschlagen worden sei, warfür sie besonders abscheulich, da sie Christian Maretsch nämlich gerne hatte, sie kannte ihn von früher. Die Finozzi zeigte sich schockiert über die berichteten Vorgänge und konnte gar nicht glauben, daß in einer Stadt wie Klausen, mitten in der Provinz, im Idyll des Eisacktals, solche Dinge geschehen könnten. Gasser konnte beobachten, daß die beim Nussbaumer anwesenden einheimischen Gäste die Finozzi mit einem nicht überbietbaren Respekt betrachteten, auch er wurde, seit er an dem Tisch saß, mit diesem seltsamen Blick angestarrt, als gehöre er zu einer Runde der schlechthin Auserwählten. Niemand, so wurde Gasser klar, hätte sich jetzt noch an ihren Tisch zu setzen gewagt (vor einem Jahr hätte sich jeder an einen Tisch mit Katharina Gasser gesetzt, ohne Zögern, wenn irgendwer damals überhaupt einen Anlaß dazu gesehen hätte). Und es wußte zwar jeder, daß Gasser Katis Bruder war, aber dennoch wuchs der Respekt, den sie ihm entgegenbrachten, erst dadurch schlagartig, daß er jetzt bei seiner Schwester und der unnahbaren Finozzi saß. Wie die Klausner plötzlich einen Abstand zu ihm wahrten, widerte Gasser an. Kati zeigte sich einigermaßen betroffen davon, daß im Verlauf der ganzen schlimmen Geschichte der gestrigen Nacht Martin Delazer auf dem Platz vor der alten Schule erschienen sein soll, im Gefolge dieses Laners, der ihr, wie sie sagte, nicht sympathisch sei. Sie erzählte, daß sie mehrfach in Laners Haus verkehrt sei, aber seit Laners Gefängnisaufenthalt sei ihr alles ihn Betreffende und alles, was mit ihm zusammenhänge, suspekt geworden.Sie könne also nicht sagen, was Martin da gestern nacht auf dem Platz gewollt habe, er könne ihn allerdings gleich selbst fragen, sie seien nämlich um ein Uhr hier verabredet. Es war kurz vor eins. Gasser entschloß sich zu bleiben, obwohl ihm Delazer sehr unangenehm war. Delazer erschien, er wiegelte sämtliche Fragen ab und erzählte gar nichts von der gestrigen Nacht, sondern sprach in bester Laune von etwas ganz anderem, das ihn beschäftigte, nämlich von den Zerwürfnissen Laners mit einem Alois Zurner in Brixen. Delazer sagte drei Wochen später, Gasser habe seinen Ausführungen damals sehr interessiert zugehört, er habe allerdings von Anfang an nicht glauben können, daß Gasser tatsächlich als Auftragnehmer der Kellergesellschaft ihm habe nachstellen sollen, sondern er habe es für sicher gehalten, daß Gasser das aus eigenem Antrieb und in eigenem Interesse mache. Er habe versucht, ihn auszukundschaften, ihn auszuforschen, möglicherweise, habe er, Delazer, zuerst gedacht, mache er das im Auftrag Taschners oder Maretschs, später aber habe er das nicht mehr gedacht, denn das Interesse Gassers an der Bürgerinitiative sei wohl nur vorgeschützt gewesen, eine Tarnung. Er, Delazer, habe also damals beim Nussbaumer von etwas ganz anderem geredet, nämlich von dem Zerwürfnis zwischen Laner und Zurner, aber was er damit anrichte, daß er genau und gerade davon erzähle, habe er freilich nicht geahnt. Es handelte sich bei diesem Zerwürfnis um einen Immobilienstreit. Delazer erzählte die ganze Sache wohl alleinaus dem Grund, weil er gerne zum besten gab, daß er über alles, was im Eisacktal wirtschaftlich geschah, nicht nur Bescheid wußte, sondern daß er seine Finger in allem stecken hatte und ohne ihn gar nichts geschehen konnte (seine Position als Politiker im Südtiroler Landtag zementierte er übrigens immer genau durch diese Art des Auftritts, und zwar ohne daß er in einem Rhetorikseminar jemals auf diese Verfahrensweise hingewiesen worden wäre, er tat das allein aus seinem prächtig funktionierenden Instinkt heraus). Dieser Zurner hatte vor einem Jahr ein Grundstück am Eisack gekauft, oberhalb der Brixner Industriezone. Der Kauf wäre nicht weiter aufgefallen, hätte der Agrarrat Laner nicht schon zuvor die umliegenden Grundstücke erworben. Laner hatte sich damals darum bemüht, an diesem Ort einen Wohnsiedlungskomplex
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