Klausen
voraussetzen, und sie scheltenden anderen alsbald einen Narren, wenn er ihren Gedankengang nicht versteht, obgleich sie diesen Gedankengang noch gar nicht formuliert haben und auch gar nicht formulieren werden, weil sie nämlich gar nicht in der Lage dazu sind. Sie sind vielmehr darauf angewiesen, daß der andere in sich bereits einen verwandten Gedankengang hat; und wenn sie im anderen diesen verwandten Gedankengang endlich ausfindig gemacht zu haben glauben, dann sagen sie: Jetzt hast du es ja, du Esel, das meine ich doch die ganze Zeit. Kurz: Gespräche, die für nicht Eingeweihte kaum zu verstehen sein dürften, die aber allerortens auf eine verwandte Weise vonstatten gehen, zumindest unter fünfundneunzig Prozent der Menschheit. Noch eine weitere Konsequenz ergab sich aus dem Gespräch im Vorraum des Kellers . Man beauftragte Gasser, seine Schwester aufzusuchen und sie nach der Bedeutung der Geschehnisse der letzten Nacht sowie nach der Rolle Delazers bei diesen Geschehnissen zu fragen. Gasser lief also aus dem Keller hinaus und begann nach seiner Schwester zu suchen … Katharina Gasser hatte in diesen Tagen eine Drehpause während der Produktion ihrer Fernsehserie und wollte diese Zeit in Klausen verbringen. Sie wohnte nicht bei ihren Eltern, auch nicht bei ihrem Verlobten Delazer, sondern im Hotel. Das Hotel wurde ihr von der Produktionsfirma bezahlt. Kati wurde zu dieser Zeit so gut wie alles von ihrer Produktionsfirma bezahlt, man zahlte ihr die Reisekosten, so daß sie permanent flog, nach München, nach Mailand, nach Rom (wobei sieimmer über das Eisacktal hinwegflog und dieses von oben betrachtete, sie erkannte jedesmal Brixen und Klausen), man zahlte ihr alle Übernachtungen, sie erhielt eine Verpflegungspauschale und so weiter, und wenn sie wollte, beschaffte man ihr auch einen Mietwagen. In Klausen wohnte sie also folgerichtig im Goldenen Elephanten, dem ersten Hotel am Platz, mit Sauna, Schwimmbad etcetera . Kati nutzte beides, Sauna sowohl als auch Schwimmbad, und in der Tat kam es ihr vor, als regeneriere sie schnell, sie war nämlich im Zustand großer Erschöpfung nach Klausen gekommen. Aber dennoch gestaltete sich ihr Aufenthalt in ihrem Heimatort anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Denn es gab, kaum daß sie ihr Hotelzimmer verließ, jedesmal Rummel um sie, und dieser Rummel ermüdete sie sogleich wieder und ließ sie in den abgespannten Zustand zurückfallen, in dem sie angekommen war. Wenn sie auf die Straße ging, konnte sie das auch in Klausen nicht mehr allein tun. Sie hatte immerfort eine Frau dabei, die ihr die Produktionsfirma zur Seite gestellt hatte, um die Öffentlichkeit auf Distanz zu halten, denn Kati wurde natürlich von jedem angeredet. Alle sagten zu ihr die gleichen Sätze und stellten die gleichen Fragen. Wie denn der Ruhm sei? Wie es denn beim Film überhaupt so sei? Und wie man den Erfolg verarbeite? Andere etwa fragten sehr interessiert, ob sie in der Serie bleiben werde oder jetzt ebenfalls ausscheide? Es handelte sich um eine Serie, in der sie die Kollegin eines Anwalts spielte, der von dem bekannten Schauspieler X gespielt worden war,der aber, da er die Serie hatte verlassen wollen, am Vorabend in ihren Armen gestorben war. Diese Serie war zur Begeisterung der Klausner (sie redeten ständig darüber) auch in Österreich und Deutschland sehr bekannt geworden. Wie es hieß, hatte die Serie als Koproduktion zweier Sendeanstalten geradezu einen Vorbildcharakter für die Beziehungen zwischen dem Burgenland und Südtirol . Über die gemeinsamen Dreharbeiten hatten damals sogar die Nachrichtensendungen berichtet, der Landeshauptmann zu Besuch am Drehort, das Gespräch des Landeshauptmanns mit dem Regisseur, dem Landeshauptmann werden die Drehbücher erläutert, der Landeshauptmann schüttelt Kati Gasser die Hand etcetera . Kati wurde nun natürlich von allen auf den Klausner Straßen gefragt, wie denn die Arbeit mit dem berühmten Schauspieler X gewesen sei, wie er in ihren Armen gestorben sei, ob der Kuß, den er ihr sterbend gegeben habe, ein echter Kuß gewesen sei (so habe es nämlich ausgesehen), wie man sich überhaupt diese Küsse vorzustellen habe, ob mit dem neuen Hauptdarsteller eine Liebschaft geplant sei … wieso es mit dem alten Hauptdarsteller keine Liebschaft gegeben habe … in einem Film keine Liebschaft, das sei doch verwunderlich, immer habe man gewartet, daß sich endlich eine Liebschaft ergebe, aber nie habe sich eine solche ergeben … wieso? Ob X
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