Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klausen

Klausen

Titel: Klausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
Vom Netzwerk:
fatale Hemmungslosigkeit an den Tag. Man konnte noch nicht einmal sagen, daß sie sich hier im Saal wie zu
Hause benahmen und sich gehenließen. Sie ließen sich nämlich noch viel mehr gehen, sie nahmen auf nichts Rücksicht, sie warfen ihre
     Eintrittsbilletts hier und dort hin, stießen ihre Gläser um, zuerst schämten sie sich, da es die anderen aber ebenso machten, schämten sie sich bald nicht
     mehr, sondern bekamen sogar Lust, sich absichtlich ein wenig danebenzubenehmen, sie glucksten alsbald vor Vergnügen, und das war um so fataler, denn den
     Klausnern war die Veranstaltung ja überaus ernst. Aber im einzelnen. Zuerst trat Passler auf die Bühne, auf der nichts weiter stand als ein Tisch, ein
     Stuhl, und auf dem Tisch eine Flasche Wasser, ein Glas und ein Mikrofon. Neben dem Tisch stand ein Projektor. Die Augen aller richteten sich auf
     Passler. Aber sie richteten sich nur kurz, viel zu kurz auf ihn, dann wurden wieder hier und da Gläser umgestoßen, man hörte die Deutschen irgendwelche
     Sachen tuscheln und schon wieder glucksen vor Freude. Passler, der das nicht zu merken schien, überschaute die Menge mit wonnevollem Gesicht, denn vor
     einer solchen Anzahl Menschen hatte er noch nie gestanden. Die Anfeindungen aus dem Türrahmen hatte er mir nichts, dir nichts verdrängt oder vielleicht
     auch gar nicht bemerkt, er sah nur den Zeitungsartikel und das Photo im Tagblattvor sich, und in seinem Geiste wurde es immer größer,
     dieses Photo. Er machte nun eine Geste, als wolle er etwas sagen, dann aber schien ihm etwas einzufallen, und er verschwand wieder von der Bühne. Was war
     denn das für einer, rief einer der Deutschen. War das nicht der von der Tür? Was macht denn der auf der Bühne? Nein, das ist der Vortragende. Aha, und
     warum ist er dann wieder weggegangen? Jetzt trat die Zweite Vorsitzende des Volksbildungsvereins auf die Bühne. Sie war für sämtliche technischen
     Angelegenheiten zuständig. Sie hauchte testweise ins Mikrophon, dann schaute sie zur Saaltür und machte eine weit ausholende Bewegung mit dem Arm, um zu
     signalisieren, daß nun auch die letzten bitte hereinkommen und die Tür schließen sollten. Einige kicherten über diese Bewegung mit dem Arm, jemand
     imitierte sie sogar, das führte zu weiterem Kichern. Dann machte die Frau noch eine zweite Geste, die bedeuten sollte, daß man nun bitte auch das Licht
     löschen möge, der Schalter befand sich neben der Saaltür. Dabei sprach sie lautlos irgend etwas mit überdeutlichen Lippenbewegungen zu jemandem, der den
     Schalter betätigen sollte, vermutlich Licht aus . Solche pantomimischen Gesten bleiben vor einer amüsierbereiten Menge allerdings nicht
     ungestraft. An mehreren Stellen des Saales wurde nun gelacht und die betreffende Geste nachgeäfft, und vielleicht fiel das nur deshalb noch nicht
     allzusehr auf, weil ohnehin eine gewaltige Unruhe im Saal herrschte. Jetzt kam wieder Passler auf die Bühne. Einige lachten hierbei völliggrundlos. Vermutlich lachten sie einfach nur deshalb, weil Passler zum zweiten Mal auf der Bühne erschien. Sie meinten, daß dies ein
     Mißgeschick zum Grund haben mußte, denn zuerst erscheint der Mann, dann erscheint die Frau, und jetzt wieder der Mann, da mußte ein Mißgeschick vorliegen,
     eine Reibung im Ablauf der Veranstaltung, das amüsierte sie. Nun war das Licht aus, nur die Bühne und der Tisch für den Vortragenden waren mit zwei
     Strahlern ausgeleuchtet. Passler stand vorne, rieb sich freudig die Hände und begann (immer weiter sich die Hände reibend) mit seiner Begrüßung. Er sprach
     natürlich Eisacktaler Dialekt. Das hätte gemeinhin niemanden von den Deutschen amüsiert, denn ansonsten waren sie ja ganz ordentliche und stille Gäste in
     ihren Pensionen, die dort mittags und abends zu Tisch saßen und sich ohne eine Auffälligkeit im Verhalten mit den Wirten unterhielten. Aber nun befanden
     sie sich in einer zu großen Gruppe, und die Stimmung war schon weit gediehen. Der Schlitten war in voller Fahrt. Also lachten einige über Passler, andere
     schmunzelten, sie hielten Passlers Volksbildungsverein nun offenbar für eine Art Zookäfig mit einer besonders grotesken Sorte von Tieren darin. Die
     Klausner waren dagegen alle von einer eigenartigen Anspannung ergriffen, sie hörten schon den ersten Worten Passlers voller Aufmerksamkeit zu, obgleich
     sie völlig nichtssagend waren. Meine Damen und Herren, sagte er, liebe Klausner, liebe Mitglieder des

Weitere Kostenlose Bücher