Klebstoff
scheißegal, ich war immer noch da. Als ich raus in die Sonne ging, um nen klaren Kopf zu kriegen, war ich bizarrerweise so euphorisch, dass ich glatt dachte, mich könnte nie wieder was traurig machen.
Da hatte ich mich natürlich geirrt.
Das Gegenteil wurd mir ungefähr fünf Minuten später bewiesen.
Fünf Minuten, die Entfernung zwischen hier und den Geschäften. Als ich sie mit der Kleinen ausm Zeitschriftenladen kommen sah, schlug mir mein Herz wie wild in der Brust, und ich war kurz davor, einfach die Straßenseite zu wechseln. Aber sie warn allein, er war nich zu sehen. Ich war noch nich so weit, ihm gegenüberzutreten, nicht grad jetzt, ich würd’s tun, sobald ich dazu bereit wär.
Aber jetzt noch nich.
Ich sah mich um und vergewisserte mich, dass er nich da war.
Tatsache war, ich war eigentlich guter Dinge, was ich mit den Fotzen im Center zu klären gehabt hatte, hatte ich geklärt, und ich versuchte jetzt, das alles in die hinterste Ecke meines Bewusstseins zu schieben. Ich versuchte nach vorn zu sehn, ans Münchener Oktoberfest zu denken und an die Pillen, die ich verkaufen musste, um hinfahren zu können. Die Flüge warn schon gebucht, ich brauchte also nur noch Kohle für Unterkunft und als Taschengeld. Es war n selten komischer Tag und so: Bis vor kurzem hatte es noch geschüttet, aber jetzt knallte die Sonne vom Himmel, und die Leute waren auf der Straße. Es war schon bald Abendbrotszeit, und aus den Bussen aus der Stadt strömten die Menschen. Ich ging die Straße lang, guckte mir die graffitibedeckten Wände an und suchte nach den Stellen, wo wir uns verewigt hatten. Da warn sie, langsam, aber sicher verblassend:
GALLY BIRO HFC RULE
Das musste jetzt über zehn Jahre alt sein. Biro. Das war Birrells alter Spitzname, den heute keiner mehr benutzte. Ich hätte mir nen besseren zulegen sollen, nen besser verschlüsselten. Meine Ma kam drauf, dass ich das war, und vertrimmte mich. Terry, die Fotze, kam vor Ewigkeiten mal bei uns vorbei und sagte zu meiner Ma: – Hallo, Mrs. Galloway, is Gally, äh, ich mein Andrew, da?
Und nun fahrn wir zusammen weg; ich, Terry, Carl und Billy. Vielleicht zum letzten Mal.
Aber es sind gute Jungs, besonders Birrell: n echter Kumpel. Hat damals gegen Doyle voll den Kopf für mich hingehalten. Er hatte selber viel um die Ohren. Sein Kampf musste verschoben werden. Die Evening Post bekam Wind davon, stellte ihn als hirnlosen Schläger hin und grub nochmal diese alte Vorstrafe aus, wegen der Brandstiftung in nem Lagerhaus vor n paar Jahren. Aber Billy kriegte das alles sauber geregelt. Als der Kampf neu angesetzt war, pulverisierte er diesen Jungen aus Liverpool. Danach krochen sie ihm alle wieder innen Arsch.
Daran dachte ich, an die alten Zeiten, und fühlte mich wieder n bisschen deprimiert. Dann dachte ich, komm schon, Galloway, reiß dich am Riemen. Aye, als ich rausging, fühlte ich mich gut.
Dann sah ich die beiden.
Ich sah sie und hatte das Gefühl, mir hätt einer seine Faust in die Magengrube gerammt.
Wann fing das alles an? Vor Jahren. Da war sie mit Terry zusammen. Ich hielt sie für n nettes Mädchen und so. Wenn sie wollte, konnte sie einen verdammt scharf machen. Beim zweiten Mal war’s anders. Alles, was ich wollte, war n Fick, und den bekam ich auch. Das war n geiles Gefühl, bis sie mir erzählte, sie wär schwanger. Ich konnt’s nich fassen. Dann die kleine Jacqueline. Ein paar Wochen, nachdem Lucy, Terrys Frau, Jason bekommen hatte, wurde sie geboren.
Als ich ausm Bau kam, wollt ich alles. Besonders ne Frau flachlegen. Aye, zu meiner Nummer bin ich gekommen, und der Preis war n Ehering und die Verantwortung für Frau und Kind. Das war einfach viel zu viel, selbst wenn sie und ich besser zueinander gepasst hätten. Ich konnt’s nie abwarten, ausm Haus zu kommen, weg von ihr; von ihr und ihren Freundinnen, wie Catriona, Doyles Schwester. Die saßen den ganzen Tag qualmend zu Haus rum. Ich wollte weg von ihnen, weg von ihren Kindern. Ihren schreienden, flennenden Kindern.
Ich wollte Action, wo ich sie nur kriegen konnte. Eigentlich war ich schon zu alt, um noch Hool zu werden, die meisten Jungs warn gut fünf Jahre jünger als ich. Aber ich hatte viel nachzuholen und schon immer jünger ausgesehen, als ich eigentlich war. Also machte ich n paar Spielzeiten lang mit. Dann fing ich an, mit Carl in die Clubs zu gehn.
Weg von ihnen, von Gail und der Blase, aber ich nehm an, auch weg von Jacqueline. Also gut, aye,
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