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Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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entschuldige mich und fahr die alte Mrs. Carlops nach Haus.
    Das arme alte Mädchen ist mir ja so dankbar. Armes altes Schätzchen, nie bittet sie um was, dabei wohnt sie direkt bei uns gegenüber. Als ob ich zusehn würd, wie sie diese Last nach Haus schleppt.
    Als ich reinkomm, keine Spur von Ma oder Dad. Rab sitzt mit so nem Mädchen auf dem Sofa und guckt das Nachmittagsprogramm für Vollzeitarbeitslose.
    – Wo ist Ma?
    – In der Stadt mit Tante Brenda. Heute ist ihr Tag in der Stadt.
    – Wo ist Dad?
    Rab wedelt tuntig mit der Hand und lispelt: – Er hat seinen Kochkurs. Das Mädchen neben ihm wiehert bekifft los. Das gefällt mir gar nich, dass er vor irgendner zugedröhnten Kuh respektlos von meinem Vater spricht. Der alte Herr bemüht sich wenigstens. Außerdem missachtet er ihr Haus, wenn er hier diesen Mist raucht.
    Aber was soll ich da groß sagen.
    – Was haste so getrieben? frag ich.
    – Wie immer, meint er. – Haste trainiert?
    – Wann kommt Dad zurück?
    – Weiß ich verfickt nochmal nich, sagt er.
    Das bringt mich auf den Gedanken, ob er wohl mit dieser Perle bumst oder nur mit ihr abhängt. Es ist komisch, bei der Art, wie die beiden so lässig miteinander umgehn, schon wie sie lachen, fang ich an, über Anthea und mich nachzudenken. Über unser Leben. Unsere Geschäftsbeziehung. Ach was, ich bin ja bescheuert: Man kann doch nich plötzlich auf zwei Stützeempfänger eifersüchtig werden, die’s höchstwahrscheinlich nich mal miteinander treiben.
    Im Moment komm ich mir vor, wie sich mein Alter den lieben langen Tag vorkommen muss, und wünschte mir fast, ich wär mit den Jungs ein Bier trinken gegangen.
    Nee. Gedanken bündeln. Konzentrieren.
    Ich und Rab, wir laufen in entgegengesetzte Richtungen.
    Ich hör, wie sich in der Tür ein Schlüssel dreht, und mein alter Herr ist da.

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Andrew Galloway
TRAINING
    Ich hatte drei Wochen auf das Ergebnis gewartet. Ich hatte gedacht, es würd mich umbringen, aber es lief zur gleichen Zeit so viel andrer Scheiß ab, dass ich’s kaum registriert hab. Wenn ich dann drüber nachdachte, was schon vorkam, vor allem nachts, konnte ich nich sagen, wie viel davon auf das Konto der Angst ging, mit der ich ohnehin schon lang, ja, wie lang lebte?
    Fuck, n paar Jahre lang.
    Sie holen dich rein, setzen dich erst mal auf n Stuhl und beruhigen dich. Die wissen, was sie tun, und darin sind sie gut. Aber so viele Möglichkeiten, es einem zu sagen, gibt’s ja nich. – Sie sind positiv getestet worden, sagte mir die Frau im Krankenhaus.
    Ich bin ja nich ganz blöd. Ich kenn den Unterschied zwischen HIV und AIDS . Ich weiß praktisch alles, was es über das Thema Wichtiges zu wissen gibt. Es is verrückt, wie man was geflissentlich so ignorieren kann, dass man’s im Grunde durchs Weglassen in den Mittelpunkt rückt und sich das Wissen darüber heimlich und unbewusst einschleicht. Ein bisschen wie der Virus selbst. Na, wie auch immer, ich hör mich sagen: – Das wär’s dann, ich hab also AIDS .
    Und ich sagte das bewusst mit genau diesen Worten, weil n Teil von mir, n fröhlicher, optimistischer Teil, der nie aufgibt, sich nach dieser ganzen Ansprache sehnte, dass das kein Todesurteil wär und man auf sich Acht geben müsste, und was es alles für Behandlungsmöglichkeiten gäb und so weiter und so fort.
    Aber mein erster Gedanke war, schön, jetzt biste im Arsch. Und das war ne seltsame Erleichterung, denn ich hatte schon ne ganze Weile das Gefühl, dass alles im Arsch is, und kam mir vor, als hätte ich bloß jetzt erst rausgefunden, warum . Die rest liche Zeit im Krankenhaus war bloß weißes Rauschen in meinem Kopf. Dann ging ich nach Haus und setzte mich in den Sessel. Ich fing an, wie verrückt zu lachen, bis es außer Kontrolle geriet, mir im Hals stecken blieb und in gequältes Schluchzen umkippte.
    Ich versuchte drüber nachzudenken wer, wie, was, wo und warum. Aber mir fiel nix ein. Ich dachte drüber nach, wie ich mich fühlte. Ich fragte mich, wie lang ich noch haben würde.
    Am besten hielt ich einfach durch.
    Saß ne Zeit lang betäubt da, dachte an unerledigte Angelegenheiten.
    Aye, am besten durchhalten. Bis ich alles geregelt hätte, ja.
    Ich hörte auf mir vorzumachen, ich könnt irgendwas Sinnvolles mit mir anfangen. Ich holte die Flasche Grouse raus und kippte mir n Glas ein. Es brannte sich heiß und säuerlich bis in meinen Magen runter. Das zweite schmeckte besser, aber die Furcht ging nich weg. Meine Haut fühlte sich feuchtkalt an,

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