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Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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überlegte sie. – Also, was war …
    – Bitte, lass mich bloß erzählen, sagte Charlene. – Es ist was passiert …
    Lisa stellte rasch den Kessel an und machte Tee. Sie setzte sich in den Sessel gegenüber der Couch, auf der Charlene zusammengesunken war, und hörte zu, wie aus ihrer Freundin heraussprudelte, was sie bei ihrer Rückkehr aus Ibiza erwartet hatte. Während sie redete, sah Lisa, wie das reflektierende Licht auf die seidenmatt gestrichenen Wände fiel, die Charlene einrahmten, die ihr gegenüber auf der Couch so winzig wirkte.
    Erzähl’s mir nicht, Liebchen, bitte erzähl mir das nicht …
    Und Charlene sprach weiter.
    An den Wänden konnte sie die Schatten des dunkler gewordenen alten Musters durchscheinen sehen, das sich mit dem neuen Zeug biss. Das war die Tapete, die grauenhafte alte Tapete, die selbst durch mehrere Anstriche irgendwie immer wieder durchschien. Drei Schichten von der guten, seidenmatten Acrylfarbe. Aber man sah immer noch den Mist durchkommen, man sah immer noch das hässliche alte Muster.
    Bitte, hör auf …
    Dann, gerade als sie glaubte, ihre Freundin sei fertig, nahm Charlene das Reden abrupt wieder auf und verfiel in diesen kühlen Monolog. Trotz all des Entsetzens und Ekels, den er in ihr auslöste, brachte es Lisa nicht über sich, sie zu unterbrechen. – Seine plumpen, nikotinverfleckten Finger mit dem Schmutz unter den Nägeln drücken und schieben gegen meine noch fast haarlose Vagina. Die Whiskyfahne, zusammen mit seinem Schnaufen in meinen Ohren. Ich, stocksteif und verängstigt, wie ich versuch, still zu sein, damit sie nicht aufwacht. Das war der Witz. Sie tat alles, um bloß nicht aufzuwachen. Und ich versuch still zu sein. Ich. Der abartige, schmierige, kranke Widerling. Wenn er n anderer gewesen wär oder ich ne andere wär, könnt er mir vielleicht sogar Leid tun. Wenn’s ne andere Muschi gewesen wär, in der sein Finger steckte.
    Sie hätte die alten Tapeten abziehen sollen. Den ganzen alten Scheiß loswerden sollen. Egal, wie oft man es überstrich, es kam immer wieder durch.
    Lisa wollte etwas sagen, aber Charlene hob die Hand. Lisa fühlte sich wie zu Eis erstarrt. Es fiel ihr so schwer, sich das anzuhören, und sie konnte nur ahnen, wie schwer es ihrer Freundin gefallen sein musste, mit dem Reden anzufangen, aber jetzt hätte das arme Mädchen nicht mehr aufhören können, selbst wenn sie’s gewollt hätte. – Ich müsste ne frigide Jungfrau sein oder ne Nymphomanin; ich müsste, wie nennen sie das, ne sexuelle Funktionsstörung haben. Von wegen. Meine endgültige Rache an ihm, meine metaphorischen zwei Finger gegen seinen buchstäblichen einen, ist, dass ich keine … Charlene starrte ins Leere. Als sie fortfuhr, war ihre Stimme eine Oktave höher, und es war, als spräche sie zu ihm. – … und ich bin froh über meine Verachtung und meinen Hass auf dich, denn ich weiß, wie man Liebe erfährt und gibt, du erbärmlicher Schlappschwanz, denn ich bin nie diejenige gewesen, die seltsam oder nicht ganz richtig oder neurotisch war, und ich werd das auch verfickt nochmal nie sein … Sie wandte sich Lisa zu und ruckte dann auf ihrem Platz, als würde sie an die Stelle zurückkehren, die sie sonst einnahm. – Tut mir Leid, Lees, danke.
    Lisa war sofort bei ihr auf der billigen Couch und nahm ihre Freundin so fest sie konnte in den Arm. Charlene ließ sich die Tröstung kurz gefallen, rückte dann ein wenig ab und sah sie mit einem ruhigen Lächeln an. – Also, was ist mit den großen Sprüchen, von wegen abfüllen, zuknallen und durchficken lassen?
    Lisa war entgeistert. – Wir können doch nicht … ich mein … stammelte sie ungläubig, – was ich sagen will, ist, dass es, äh, vielleicht nicht der richtige Moment ist, um … ich mein, das ham wir zwei Wochen lang gemacht, und davon ist er auch nicht weggegangen.
    – Ich bin nur mitgefahren, weil ich dachte, er wär für immer weg. Warum hat sie ihn wieder ins Haus gelassen? Es ist meine Schuld, meine Schuld, weil ich mitgefahren bin. Ich hätt nicht wegfahren dürfen, sagte Charlene zitternd, ihre goldberingten Finger um einen Becher Tee gekrallt. – Wir gehn trotzdem aus, Lisa. Noch was, kann ich ne Weile hier pennen?
    Lisa drückte Charlene fester. – Du kannst hier bleiben, so lang du möchtest.
    Charlene lächelte gezwungen. – Danke … hab ich dir je von meinem Kaninchen erzählt? Sie zitterte, während sie den Becher fest in beiden Händen hielt, obwohl es warm in der Wohnung war.
    –

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