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Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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Gesichter um mich herum und auf das O des Mundes der Stewardess. Ich bin überzeugt, wenn das hier ein amerikanischer Film wär, würden jetzt alle applaudieren und hurra rufen. Im wirklichen Leben denken sie bloß, Höhenkoller, ein Irrer an Bord, der ohne weiteres all unsere beschissenen Existenzen gefährden könnte, auch wenn das möglicherweise nur daran liegt, dass wir hier hinten wie Sardinen zusammengequetscht sind und pro Jahr zehn Fuß von der zweiten Klasse an die erste Klasse verlieren. Wenn ich nen Crash herbeiführen und »einige der führenden Businesskoryphäen« vorne töten würde, würde dadurch der Kapitalismus in seinen Grundfesten erschüttert, würden die Multis zusammenbrechen? Klar doch, genauso wie es nach dem Dahinscheiden von N- SIGN Ewart keine Dance-Musik mehr geben wird.
    Ein Mädchen spricht mit mir. – Wenn Sie nicht still sind, Ihren Sicherheitsgurt anbehalten und ruhig sitzen bleiben, sind wir gezwungen, physische Gewalt anzuwenden, sagt sie, glaub ich. Ich glaube, das hat sie gesagt.
    Vielleicht bild ich mir das aber auch nur ein.
    Noch ein beschissenes Bordessen, noch ne Bloody Mary gegen das Zittern. Die Stimmen in meinem Kopf sind immer noch da, aber nicht mehr so bedrohlich, wie Freunde auf Acid, auf Speed, die sich im Nebenzimmer unterhalten und vielleicht ein oder zwei gedankenlose, aber nicht wirklich bös gemeinte Bemerkungen machen. Diese Art von Irresein stört mich nicht, die kann sogar ganz gemütlich sein.
    Ich bin wieder im Flieger. Unterwegs nach Haus.
    All diese Leichen. Nein, nicht noch ne Beerdigung. Deine Mut ter scheint das Schlimmste zu befürchten .
    Das Schlimmste. Vom Schlimmsten hab ich keine Ahnung. Doch, hab ich wohl.
    Gally ist gestorben.
    Dann kam der zweite Schock, er hätte weniger groß sein sollen, war er aber nicht. Es hieß, dass am Tag vor Gallys Tod Polmont in seiner eigenen Wohnung brutal überfallen worden sei. Er hatte so grade eben überlebt. Das wusste ich zu der Zeit aber nicht. Aye, das hätte höchstens ein gelinder Schock sein dürfen, denn was hatten wir schon mit Polmont zu tun, aber es war irgendwie so untrennbar mit Gallys Ableben verknüpft.
    Jede Menge Gerüchte machten die Runde. Es waren einige seltsame Tage vor Gallys Beerdigung. Irgendwie schien es, als wollten wir glauben, dass Gally nichts und gleichzeitig alles mit dem Angriff auf Polmont zu tun hatte. Es war so, als wär beides nötig, um sein Leben, oder vielmehr seinen Tod, in unseren Augen zu rechtfertigen. Natürlich konnte man nicht beides haben, man konnte nur die Wahrheit haben.
    Niemand schien in diesen chaotischen Tagen zu wissen, was genau mit Polmont passiert war. Die einen sagten, er wär ins Genick geschossen worden, andere sagten, ihm wär die Kehle durchgeschnitten worden. Was immer es auch war, er überlebte den Angriff und war ziemlich lange im Krankenhaus. Die Wunde war definitiv an der Kehle gewesen, denn sein Kehlkopf war zerstört worden, und um wieder sprechen zu können, hatte man ihm eins dieser komischen Dinger eingebaut, die man drücken muss. Den Dalek nannten wir ihn.
    Natürlich wurde das Gally angelastet, aber ich wusste, dass der kleine Mann so was nie fertiggebracht hätte. Ich tippte auf einen von Doyles Mob. Die Fotzen waren unberechenbar, und egal, für wie hart man sich hält, es reicht schon, sich in dieser Gesellschaft aufzuhalten, um einer der verwundbarsten Menschen auf Erden zu sein, wenn die Zeit gekommen ist. Und die kommt immer irgendwann. Polmont könnte einen von denen durch ne x-beliebige Sache in Rage gebracht haben; durch Verpfeifen, durch Abzocken, durch Kneifen, nach deren Verständnis alles triftige Gründe für ne drastische Strafe.
    Kurz vor der Beerdigung rief Gail mich an. Ich war verblüfft, als sie sagte, sie wolle mich sehen. Sie bat mich inständig, und ich brachte es nicht übers Herz, nein zu sagen. Ich wär doch Gallys Trauzeuge gewesen, sagte sie. Dann packte sie mich bei meiner Eitelkeit und meinem Selbstwertgefühl, indem sie sagte, ich wär immer fair und würd andere Leute nicht verurteilen. Das war offensichtlicher Quatsch, aber wir hören ja immer gern, was wir hören wollen. Gail war ne erstklassige Strippenzieherin, sie machte das perfekt, ohne es selbst zu merken.
    Ich erinnere mich noch an die Hochzeit. Ich war ein bisschen unerfahren, um als Trauzeuge ne Rede zu halten, aber die älteren Fotzen ließen mich gewähren. Es gab einen fiesen, unausgesprochenen Konsens – vielleicht war das auch nur

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