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Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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lachten, sich anstupsten und mit einem Nicken auf die Dosen und Flaschen zeigten, die überall in der Küche rumstanden. Sie verstummten wie freche Kinder in Gegenwart eines Lehrers, als Alec mit einer schwarz umrandeten Lesebrille auf der Nase zurückkam und genau seine Telefonmahnung prüfte. – Ich muss diesen Job für Norrie zu Ende bringen, Terry, jammerte er.
    – Bald, Alexis, bald.
    Sie zogen sich alle noch eine Line Koks rein, alle außer Alec. Das Kokain schien die Dimensionen der Küche zu verändern. Zuerst hatte sie vertraut und einladend gewirkt, selbst in ihrem verdreckten Zustand, aber nun schienen sich ihre Wände zusammenzuziehen, während sie selbst sich auszudehnen schienen. Alle redeten in lärmender Kakophonie durcheinander. Das schmutzige, ungespülte Geschirr, der Gestank nach altem Frittenfett, das alles wurde aufdringlich und beunruhigend. Sie beschlossen, im Fly’s ein Bier trinken zu gehen.

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Flughafen Bangkok,
Thailand
16.10 Uhr
    Bangkok. Das Schlimmste hab ich noch vor mir, ein beängstigender Gedanke. Die Mädchen im Geschenkeshop des Flughafens sehen fantastisch aus, besser als alle Huren in Downtown zusammen. Ich frag mich, was sie dafür bezahlt bekommen. Ihre frisch gewaschene, adrette Erscheinung. Wie sie die ganze Zeit lächeln. Sind sie glücklich, oder ist hier nur Der-Kunde-ist-König-Schmus nach amerikanischem Vorbild am Werk? Emotionale Arbeit, all das findet man in der Dienstleistungsgesellschaft, in der wir leben. Lächeln, auch wenn dir das Herz bricht. Wir sind alle wie die Sklaven auf den Baumwollfeldern, nach außen zeigen wir die »Alles klar, Boss«-Maske und wissen dabei kaum, wie wir über die Runden kommen sollen.
    Man kommt aus Australien, reist Nord-West, dann West-West, und alles wird hässlicher. Ich hab das Mädchen diesen Bowie-Refrain singen lassen, »draw the blinds on yesterday and it’s all so much scarier« , für den Track, den ich hatte aufnehmen wollen. Aber er ist scheiße. Meine Musik ist scheiße. Ich fühl sie nicht mehr. Das ist der klarste Gedanke, den ich seit Ewigkeiten hatte, was bedeutet, dass ich’s langsam wieder auf die Reihe krieg. Wir sind Heart of Midlothian, der HMFC . Wir hamden Scheißpott gewonnen, und ich hab’s verpasst.
    Sydney allerdings, eine ganz andere Welt. Scheiß auf den Scottish Cup; ich hab da genau mittenreingehauen und das Letzte aus den Decks rausgeprügelt. Mixmag, vielleicht auch DJ brachte den Artikel HAT N- SIGN DIE ORIENTIERUNG VERLO REN ?
    Die Orientierung?
    Ja, wenn ich je eine gehabt hätte.
    Als ob das irgendeine Sau kratzt. Das ist das Schöne am DJ – Dasein, du hast vielleicht deine Anhänger, aber du bist ausgesprochen austauschbar. Im Grunde unterdrückst du bloß die, die mehr zu sagen haben, aber so ist es auch bei Künstlern, Schriftstellern, Musikern, Fernsehstars, Schauspielern, Geschäftsleuten, Politikern … man meißelt sich seine eigene kleine Nische, in der man dann einfach drinhockt und die sozialen und kulturellen Pipelines verstopft.
    N- SIGN versumpft auf Ibiza. N- SIGN , das Drogentier. Blöde Scheiße. Die ganzen Dance-Blätter: verdammte Scheiß-Mythenmache. Ich hab das Ganze auch noch geliebt, das hab ich wirklich.
    Helena hat das hier für mich geregelt.
    Helena, ich kann nicht aufhören, an sie zu denken, jetzt, wo es zu spät ist. Die Geschichte meines Lebens. Aus der Ferne gern haben. Sich von weit weg sehnen. All die Dinge hoch und heilig versprechen, die ich ihr sagen will, bis sie mit mir im selben Zimmer ist, wo mir nur noch Banalitäten einfallen. Ich muss ihr sagen, dass ich sie liebe. Ich brauch ein verdammtes Telefon. Da sind immer noch die Dämonenfratze und die kleinen Bären, die mit ihren Akkordeons herumtanzen, und ich versuche ihnen zu erklären, dass ich mein Handy brauche, um meine Freundin anzurufen und ihr zu sagen, dass ich sie liebe.
    Eine Frau, die gegenübersitzt und ein Kind auf dem Schoß hat, beugt sich zu mir rüber und schüttelt mich. – Bitte seien Sie still … Sie machen ihm Angst … Sie wendet sich an die herbeieilende Stewardess.
    Ich bin fünfunddreißig und schon persona non grata : im Arsch, Schnee von gestern, eine Unperson. Meine Bedürfnisse gelten nichts. Dieses Kind da, das ist die Zukunft. Und warum auch nicht? – Tut mir Leid, sage ich flehentlich, – ich bin ein Feigling. Ich bin vor der Liebe weggelaufen. Ich muss meine Freundin anrufen, ich muss ihr sagen, dass ich sie liebe … Ich blicke in all die entsetzten

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