Klebstoff
wär. Nur für ein, zwei Sekunden, dann wollte ich, dass nie wieder jemand sterben muss.
Die meisten Leute, die sich versammelten, kamen aus den Pubs und hielten nach dem Auto Ausschau, das Gally überfahren hatte, versuchten festzustellen, wohin es verschwunden war. Niemand dachte daran, zur Brücke hochzuschauen.
Dann stehe ich da, schweigend, wie ich glaube, aber sie starren mich alle an, als wäre ich verletzt, als würd ich furchtbar bluten, und dann kommt Terry und schüttelt mich, als wär ich n kleiner Junge, und erst da wird mir klar, dass ich geschrien hab.
Billy hält Gally und sagt sanft, mit einer traurigen Zärtlichkeit, die ich noch nie zuvor und auch nie wieder von jemandem gehört habe: – Warum hast du das getan, Andy? Warum? Es war doch bestimmt nicht so schlimm. Wir hätten das regeln können, Kumpel. Die Jungs. Aber warum so was, Kleiner? Warum?
Das war das letzte Mal, dass es was Besonderes war. Danach gingen wir einander aus dem Weg. Es war, als hätten wir zu jung einen Verlust erfahren und wollten uns jeder von dem anderen fern halten, bevor einer dem anderen zuvorkam. Auch wenn wir in Wirklichkeit nicht so weit voneinander entfernt waren, lagen nach dieser Nacht Welten zwischen mir, Billy, Terry und, tja, wohl auch Gally.
Nun komm ich zurück.
Der Coroner erkannte auf Anklage gegen Unbekannt. Terry weigerte sich, auch nur die Möglichkeit eines Selbstmords in Betracht zu ziehen. Ich glaube aber, Billy vermutete es.
Ich ging nach London und schlug dort meine Zelte auf. Ein festes Engagement in nem kleinen, angesagten Club, der in größere Räumlichkeiten umzog. Dann weiter zu nem großen, wie n Konzern geführten Superclub. Ich machte ein paar eigene Stücke, dann ein paar Mixes. Dann ein Album, dann noch eins. Im Grunde lebte ich den alten Snap-Traum vom Erfolg, während ich Bass zu spielen versuchte. Aber ich war nie n Bassist; kein Manni, Wobble, Hooky oder Lemmy, nicht mal n beschissener Sting. Ich bekam nie ein Gefühl für den Bass bei meinen wurstfingerigen Versuchen, die nie mit meinen inneren Vibes synchron waren, aber ich bekam ein Ohr für den Bass. Das war ne große Hilfe, wenn es darum ging, Platten zu mixen. Die Sache entwickelte sich langsam, aber stetig. Eine erfolgreiche Dance-Platte, Groovy Sex Doll , die es sogar in die Mainstream-Charts schaffte. Die brachte mich groß raus. Sie spielten sie bei Top of the Pops , wobei ich so tat, als würd ich Keyboards spielen, während ein paar in Lycra gekleidete Models von ner Agentur dazu tanzten. Ich ging auf ne Wodka-und-Koks-Tour, bumste eins der Models, hing in der Met Bar und ein paar Clubs in Soho ab, führte tief schürfende und wahnsinnig wichtige Diskussionen mit Popstars, Schauspielern, Schrifstellern, Models, TV – Moderatoren, Künstlern, Herausgebern von Zeitungen und Magazinen und tauschte massenhaft Telefonnummern aus. Konnte hören, wie sich auf dem Anrufbeantworter der Dialekt änderte. Was eigentlich zwei interessante Monate hatten werden sollen, einen Sommer lang, wurden satte sechs Jahre.
Ich bedaure das nicht. Du musst mitschwimmen, wenn deine Zeit gekommen ist, sonst bereust du’s später. Was ich bedaure, ist, dass ich zu lang dabei geblieben bin und zugelassen hab, dass der traurige, ekelhafte, destruktive Prozess mich zermürbte. Im Flugzeug auf dem Rückweg von New York und einem exzellenten Gig im Twilo traf ich eine Karriereentscheidung: Ich wollte keine Karriere mehr haben.
Ich hatte einen Fuß in beiden Lagern, weil ich stets die House-Heads bewunderte, die auf dem Boden blieben: Dave the Drummer, die Liberator-Jungs, solche Leute eben. Im Grunde war das meine Zeit, die Underground-Partys, sich mit den Tribes zusammentun. Die schlichte Wahrheit ist, das ist einfach besser. Es macht mehr Spaß, ist witziger. Von daher war es ne rein berechnende, von Geldgier bestimmte Entscheidung meinerseits, das hochtrabende, unechte Umfeld der Promi-Welt zu verlassen.
Also legte ich auf den Old-School-Raves und Partys auf, die Dance-Presse fragte: HAT N- SIGN DIE ORIENTIERUNG VERLOREN ?, und für mich begann die glücklichste und ausgefüllteste Zeit meines Lebens. Dann begann die Criminal Justice Bill Wirkung zu zeigen, und hinter dem Zahnpastalächeln blieb das UK weiterhin ein Unterdrückungsregime für alle, die nicht nach deren Bedingungen Party machen wollten. Und deren Parties, die Cool-Britannia-Partys, waren für den Arsch.
Also zogen wir um; erst nach Paris, dann nach Berlin, dann nach Sydney.
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