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Klebstoff

Klebstoff

Titel: Klebstoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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Spirals, Mutoids, alle schienen sie in Sydney angespült zu werden. In letzter Zeit bin ich oft völlig im Arsch gewesen. Das ist für mich immer das Zeichen, weiterzuziehen. Manche Menschen verbringen Jahre in Therapie, um mit dem Im-Arsch-Sein zurechtzukommen. Ich zieh einfach weiter. Das Im-Arsch-Sein verschwindet dann immer. Nach landläufiger Ansicht ist das ein Davonlaufen, man soll sich dem Im-Arsch-Sein stellen. Das seh ich anders. Das Leben ist nicht statisch, sondern ein dynamischer Prozess, und wenn wir uns nicht ändern, bringt uns das um. Das ist kein Weglaufen, das ist ein Weitergehen.
    Ja. Jetzt fühl ich mich besser. Es ist doch immer wieder schön, sich rechtfertigen zu können. Ich renne nicht weg, ich bewege mich weiter.
    Weitergehen.
    Das letzte Mal, dass ich sie gesehen hab, war bei der Beerdigung, vor neun Jahren. Das Komische bei Billy, Terry, Topsy und Konsorten ist, dass ich nie so viel an sie gedacht hab, wie ich es erwartet hatte. Das kommt erst jetzt, jetzt wo ich so nah an Zu Haus bin.
    Der Anschlussflug nach Glasgow, ich sitz drin und hab sogar ein Gratisexemplar vom Herald . Die Glasgower. Ich liebe die Fotzen. Sie enttäuschen einen einfach nie. Wieder zu Haus. Ich krieg immer so ein merkwürdiges Kribbeln, wenn ich nach Schottland zurückkomme. Trotz der Angst wird mir klar, dass es schon lange her ist und ich mich wirklich darauf freue. Ich hoffe, dass noch ein Vater da sein wird, den ich besuchen kann, wenn ich ankomme.
    Aber ein Gally wird nicht da sein.
    Ich hab den kleinen Gally geliebt, die kleine Fotze, den selbstsüchtigen, kleinen Scheißkerl. Heute wahrscheinlich mehr denn je, weil er eingekuhlt ist. Jetzt enttäuscht er keinen mehr, das hat er nur ein Mal gemacht. Den Anblick seines zerschmetterten Körpers auf dieser Straße werd ich nie vergessen.
    Das Mädchen damals in München, Jahre her, neunzig, einundneunzig, neunundachtzig, in dem Dreh, Elsa hieß sie. Gally ging mit ihrer Freundin mit. – Dein Freund ist komisch, sagte sie, – er hat nicht, mit Gretchen … sie haben nicht … sie mochte ihn, aber sie hatten keinen richtigen Sex.
    Ich fragte mich damals, was er sich dabei gedacht hat. Jetzt wusste ich es, so wie er es wusste. Er war ein viel zu lieber Kerl, um trotz AIDS mit jemandem zu ficken.
    Durch ihn lernten wir alle, was Verlust bedeutet.
    Wenn er sich selbst nur so geliebt hätte wie den Rest der Welt.
    Er ist tot und darum leichter zu lieben als Terry oder Billy. Ich mag sie trotzdem noch; zu sehr sogar, um zuzulassen, dass sie in meine Nähe kommen und meine Gefühle für sie kaputtmachen. Mir gefällt die Vorstellung , die ich von ihnen hab. Aber wir können nie das zurückholen, was wir mal hatten; das ist alles vorbei: die Unschuld, das Bier, die Pillen, die Vereinsfahnen, die Reisen, die Siedlung … das ist alles so weit weg von mir.
    Wie ging nochmal der Bowie-Refrain, den wir gesampled haben: Draw the blinds on yesterday …
    Der Bus ins Stadtzentrum rein. Ich bin im Arsch. Genau gesagt, mehr als im Arsch. Manchmal glaub ich, ich seh mit den Ohren statt mit den Augen. Busbahnhof Buchanan Street.

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Edinburgh, Schottland
14.02 Uhr
DIE BUSINESS BAR
    Die Business Bar war rappelvoll. Festivalbesucher und Büroangestellte mischten sich in blasierter, aber wahrscheinlich nicht gerechtfertigter Komplizenschaft und wähnten sich dort, wo für diese drei Wochen im Jahr der Mittelpunkt der Welt war. Billy Birrell stand an der Bar, hielt Hof und trank ein Perrier. Er blickte überrascht, aber nicht verstimmt auf, als er seinen Bruder entdeckte. Ein peinliches Hibs-Auswärtstrikot. Zumindest ein weiterer Beweis dafür, dass er nicht mehr mit irgendwelchen Krawalltypen rumhing. Dann sah Billy Terry und bekam ein unverkennbar langes Gesicht. Aber Terry hatte jemanden dabei … so ein Mädchen … das war doch Kathryn Joyner! Hier in der Business Bar! Sie zog auch gleich einige Blicke auf sich, aber was hatte sie boß mit denen zu schaffen?
    – Billy! Wie geht’s? Juice Terry streckte eine Hand aus, die Billy Birrell zögernd ergriff. Terry sah schlecht aus. Übergewichtig. Er hatte sich wirklich gehen lassen.
    – Prima, Terry, sagte Billy Birrell. Er warf seinem Bruder Rab einen Blick zu. Rab zuckte verlegen die Achseln. Lisa musterte Billy Birrell von Kopf bis Fuß. Ihre abschätzenden Augen glänzten wie die von Don King.
    Terry schob Kathryn auf Billy zu. – Vilhelm, ich möchte dir ne gute Freundin von mir vorstellen. Das ist Kathryn Joyner,

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