Kleider machen Bräute
Delametri und das Kleid.
»Nicht wichtig?«, wiederholte Pascal ungläubig. »Sind Sie da so sicher?«
Molly war verwirrt. Was sollte das? Anscheinend wollte Pascal Delametri herausfordern, etwas Bestimmtes zu sagen. Und Delametri wiederum beschwor Pascal, den Mund zu halten.
Die beiden Männer starrten einander an. Pascal stemmte die Hände in die Hüften. »Dann werde ich es sagen.« Er drehte sich um und wandte sich an die Menge. »Meine Damen und Herren …«
»Pascal!« Der warnende Unterton in Delametris Stimme war unüberhörbar.
Aber Pascal fuhr unbeirrt fort. »Seit fünf Jahren bin ich der alleinige Designer des Hauses Chevalier.«
Die überraschte Stille, die auf diese Äußerung folgte, ließ Molly das Herz bis zum Hals schlagen. Was hatte er da gesagt?
»Pascal! Willst du wohl still sein!« Delametri schäumte vor Wut.
»Es ist wahr«, fuhr Pascal fort. »Mein Name ist Pascal Lafayette, und dieser Mann gibt nur vor, sämtliche Chevalier-Kollektionen entworfen zu haben. Sein Talent ist schon vor Jahren versiegt, und ich bin eingesprungen, um seinen Ruf zu retten.«
»Das ist nicht wahr!« Delametri war kreidebleich geworden. Seine Wangen zitterten, und eine Strähne seines geölten Haars hing ihm über die Stirn und piekste ihn ins Auge.
»Ach, tatsächlich nicht?«, forderte Pascal ihn heraus. »Natürlich. Sie haben schon recht. Wie dumm von mir, das zu vergessen! Sie haben sich schließlich schwer auf die Hundemäntelchen und Kofferschnallen konzentriert. Aber die Mode? Die stammt komplett von mir.«
Molly meinte, sie müsse jeden Moment umkippen. All die Heldenverehrung, das Vergöttern, die sklavische Recherche für ihre Abschlussarbeit – alles für den falschen Mann. Sie biss sich auf die Unterlippe. Der Mann, der hinter dem steckte, was sie für die schönsten Modekreationen auf diesem Planeten hielt, war seit zwei Tagen an ihrer Seite.
»Du«, flüsterte sie. »Du bist das Genie …«
Pascal warf ihr einen dankbaren Blick zu.
»Monsieur Chevalier?«, rief ein Reporter. »Was sagen Sie dazu? Stimmt das?«
Alle hatten ihre Notizbücher und Aufnahmegeräte im Anschlag. Keiner der Journalisten hatte einen solchen Knüller erwartet, als er hierherfuhr.
»Was ich zu sagen habe?«, zischte Delametri. »Nur das eine: Pascal, du bist gefeuert.«
Ein Keuchen ging durch die Menge, und alle Augen ric hteten sich auf Pascal. Molly stand dicht neben ihm, und aus ihrer Perspektive wirkte es so, als wäre er in den letzten Minuten ein paar Zentimeter gewachsen. Und als die Menge jetzt ein wenig zurückwich, um ihm Platz zu machen, schlug Molly die Hand vor den Mund und wurde Zeuge, wie Pascal Delametri in die Augen sah und sagte: »Und Sie, Delametri Chevalier, sind ohne mich ein Nichts.«
Dann verbeugte er sich leicht, drehte sich um und spazierte davon.
Ein, zwei Leute applaudierten, Molly war jedoch beunruhigt. Sie wusste nicht genau, wer gerade trium phiert hatte. Die Reporter scharten sich um Delametri, der sich innerhalb weniger Minuten vom Superstar in einen zwielichtigen Kerl mit öligem Haar verwandelt hatte. Allein der Gedanke, dass er nichts weiter war als ein Schwindler!
Er reagierte auf sämtliche Fragen mit »Kein Kommentar« und wies die Träger an, das Kleid für den Transport nach Paris zu verpacken. Er schien aufs Äußerste bestrebt, diesen Ort schnellstmöglich zu verlassen.
Ein besonders kühner Reporter setzte sich bei einem Kollegen auf die Schultern und brüllte: »Ist es wahr?«
Delametri wandte sich um und starrte ihn wütend an. Nach einer schieren Ewigkeit, nur unterbrochen durch das Klicken der Kameras, wandte Delametri sich wieder ab und stolzierte davon.
Die Journalisten hatten ihre Story.
Molly schüttelte ungläubig den Kopf. Der arme, arme Pascal. Fünf Jahre lang hatte er nicht die verdiente Anerkennung bekommen, und schließlich wurde er von dem Mann betrogen und gefeuert, dessen Ruf er gewahrt und über die Jahre sogar vermehrt hatte.
Unfassbar. Und was Delametri alles getan hatte, damit Pascal die Auktion verpasste – ein Schlag ins Gesicht eines Mitarbeiters und zwei Tage Seelenqualen für eine Braut. Wie konnte jemand nur so grausam sein?
Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Irgendetwas stimmte hier nicht. Da passte etwas nicht zusammen. Und darauf musste sie eine Antwort haben.
Molly nahm ihren gesamten Mut zusammen, zwängte sich durch die Journalisten und stellte ihr gefallenes Idol, das gerade in eine weiße Limousine mit abgedunkelten Scheiben
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