Kleider machen Bräute
steigen wollte, zur Rede.
»Monsieur«, sagte sie mit fester Stimme und stellte erstaunt fest, dass sie überhaupt keine Angst vor ihm hatte. »Warum haben Sie dafür gesorgt, dass Pascal am Flughafen so schnell freikam, nachdem Sie sich solche Mühe gemacht hatten, ihn davon abzuhalten, hierherzukommen?«
Sie wollte hören, dass Delametri am Ende doch ein Gewissen besaß, damit sie sich einen letzten Rest Respekt für ihn bewahren konnte. Vielleicht war er zwar kein guter Modeschöpfer, am Ende aber doch ein guter Mensch?
Im ersten Moment wirkte er verblüfft, von diesem zerzausten englischen Mädchen angesprochen zu werden. Er zog die Brauen hoch.
»Pardon? Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Molly Wright. Caitlin Wrights Schwes ter. Wir haben schon einmal kurz miteinander telefo niert.« Als ich noch dachte, Sie wären der König der Welt …
Er schien verwirrt und wusste offenbar nicht, wovon sie sprach.
»Erinnern Sie sich?«, bohrte sie weiter. »Ich habe Sie angerufen und Ihnen erzählt, dass Pascal verhaftet wurde. Daraufhin haben Sie ein paar Anrufe gemacht, um ihn freizubekommen.«
Er winkte ab, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. »Warum in aller Welt hätte ich so etwas tun sollen? Ich habe nichts unternommen, um diesen Mann aus dem Gefängnis zu holen. Wenn es irgendetwas gegeben hätte, um dafür zu sorgen, dass man diesen Verräter noch länger festhält, hätte ich es getan.«
Molly kämpfte sich zurück durch die Reportermeute und wankte zu einem ruhigeren Plätzchen in dem Innen hof, während Delametri seine Limousine bestieg und eilig davonbrauste.
Wenn nicht er Pascal aus der Haft geholt hatte – und es gab keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln –, wer war es dann gewesen?
*
Pascal, Simon und ihre Mutter standen neben dem Cinquecento und warteten auf sie. Molly trottete zu ihnen.
Es war mittlerweile dunkel geworden, und die Scheinwerfer, die das alte Auktionsgebäude und den Springbrunnen anstrahlten, schienen die zusammengewürfelte Vierergruppe zu verspotten, die erschöpft und zerzaust war von den Ereignissen des Tages.
»Delametri Chevalier ist eine Schlange«, sagte sie und lehnte sich an den Wagen, der darauf leicht ins Schwanken geriet. »Ich kann nicht glauben, dass ich so viel von ihm gehalten habe.« Sie sah Pascal an. »Du bist ein wunderbarer Modedesigner.«
Er ging zu ihr und umarmte sie.
»Weißt du was?«, fuhr sie fort, als er sich wieder von ihr löste. »Mir war aufgefallen, dass sich die Entwürfe des Hauses Chevalier während der letzten Jahre verändert und beträchtlich verbessert haben. Aber ich habe mich nie nach dem Grund dafür gefragt. Vermutlich habe ich automatisch angenommen, dass Delametri gerade seine Glanzzeit erlebt oder so.« Sie sah Pascal in die Augen. »Aber es lag an dir.«
Pascal zuckte bescheiden mit den Schultern, und Molly drückte ihn noch einmal.
Simon, der ein Stück abseits stand, hüstelte verlegen.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Molly, nachdem sie Pascal wieder losgelassen hatte.
»Weiß nicht.« Pascal seufzte. »Ein Teil von mir denkt, dass er das Kleid gern behalten kann. Es ist … jetzt besudelt und würde mich immer an seinen Betrug erinnern.«
»Ihn auch«, gab Molly zu bedenken.
Mollys Mum berührte Pascals Arm. »Wir fühlen mit Ihnen. Sie haben Ihren Job verloren!«
»Nein«, widersprach Pascal energisch. »Ich habe meine Freiheit wiedergewonnen.«
»Was werden Sie jetzt tun?«, fragte ihre Mutter.
Er zuckte mit den Schultern. Dieses Mal war es ein großes, wunderbares Schulterzucken, das Molly an den Pascal erinnerte, den sie vor Urzeiten im Atelier Delametri kennengelernt hatte.
»Wer weiß?«
»Du könntest dein eigenes Label herausbringen«, platzte Molly heraus. »Aber natürlich! Schon morgen werden die Modezeitschriften voll davon sein, und alle werden dir die Bude einrennen. Vielleicht ›Haus Lafayette‹? Oder einfach nur ›Pascal‹? Wie klingt das?«
Er lächelte ein wenig traurig. »Du bist süß, aber ich fürchte, so läuft das nicht. Ich habe keine Ahnung, was Delametri und seine Öffentlichkeitsabteilung in den nächsten Tagen für mich auf Lager haben. Die Medien sind wie eine … Löwengrube.«
Ein Weile schwiegen alle. Dann sah Molly auf ihre Uhr.
»Wir müssen weiter. Caitlin geht vermutlich schon die Wände hoch.«
Simon schob den Ärmel seines Pullovers hoch, um ebenfalls auf die Uhr zu schauen, aber da war keine mehr. Unauffällig zog er den Ärmel wieder herunter,
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