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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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ihr einen Platz an einem Sofaende an. Dann setzte er sich wieder in
seinen Stammsessel, und Noah nahm in dem kleinen Schaukelstuhl neben ihm Platz.
Zurückgekehrt von der Garderobe, machte es sich Binky am anderen Sofaende
bequem und nahm dann den Wärmer von der Teekanne, um einzuschenken.
    »Noah mag lieber Pfefferminz-
als schwarzen Tee«, meinte sie zu Delia. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.«
    »Ganz und gar nicht.«
    Noah trank hier jedesmal in
aller Form Tee? Delia hatte angenommen, daß er, oh, vielleicht Schach spielte.
Sie warf einen Blick auf seinen Großvater, der ernsthaft nickte.
    »Noah und ich trinken zusammen
Tee, seit er aus dem Kinderbecher trinken kann«, erklärte er. »Er ist der
einzige Junge in der Familie! Wir Männer müssen zusammenhalten.«
    Binky reichte Delia ihre Tasse
und sagte: »Wie gefällt es Ihnen als Haushälterin bei Noahs Vater, Delia?«
    »Oh, sehr«, sagte Delia.
    »Joel ist ein guter Mann«,
sagte Nat gelassen. »Ich mische mich nicht in die privaten Auseinandersetzungen
meiner Töchter«, meinte er zu Delia. »Als sie winzige Mädchen waren, habe ich
mir geschworen, daß ich jeden Ehemann akzeptiere, den sie nach Hause bringen.«
    Seine Worte standen im Raum;
Delia fühlte sich gedrängt, zu fragen: »Und tun Sie das?«
    »Oh, absolut«, sagte er. Er
lachte leicht keuchend in seinen Bart. »Ich liebe meine Schwiegersöhne über
alle Maßen! Und sie finden mich alle wunderbar.«
    »Du bist wunderbar«, bestätigte
Binky.
    Er machte eine Verbeugung.
»Besten Dank, Madame.«
    »Vielleicht nicht ganz so
wunderbar, wie Sie annehmen, paß auf...«
    Er zog ihr eine Grimasse, und sie
zwinkerte Delia gutgelaunt zu.
    War Binky angestellt, ihm
Gesellschaft zu leisten? War sie eine der Töchter? Aber ihr fröhliches Gesicht
hatte keine Ähnlichkeit mit Nat. Und zu seinem Enkel hatte sie offenbar keinerlei
Beziehung. »Nimm ein bißchen Butter«, ermunterte sie Noah, ohne zu sehen, daß
er gar nichts zum Beschmieren hatte.
    »Nimm ein bißchen
Wenig-Cholesterin-Pflanzen-Aufstrich« berichtigte Nat sie. »Schmeckt wie
Butter, ist keine Butter«, meinte er zu Delia, »und dein Haar hat diese
verführerische Spannkraft.«
    Delia war diese Bemerkung ein
Rätsel, aber Noah kicherte. Sein Großvater sah zu ihm hinüber; es zuckte
verräterisch um seinen Mund, als verkniffe er sich ein Lächeln. Dann wandte er
sich wieder an Delia. »Sie sind aus Baltimore, habe ich gehört?«
    »Ja«, sagte sie.
    »Haben Sie dort Verwandte?«
    »Ein paar.«
    Er runzelte fragend die Stirn,
aber sie beließ es dabei.
    »Neunzig Prozent der Leute hier
im Haus kommen aus Baltimore«, sagte er schließlich.
    »Aha?«
    »Reiche Leute von der Ostküste,
die sich zur Ruhe setzen. Aus Roland Park und Guilford.«
    Delia verzog keine Miene, als
hätte sie von Roland Park oder Guilford noch nie etwas gehört.
    »Sie glauben doch nicht, daß
all diese aufgetakelten Tanten hier aus der Gegend stammen?« sagte er. »Großer
Gott, nein. Ich wäre auch nicht hier, wenn ich keine Murray geheiratet hätte.
Eine Murray von Murrays Krabbengewürz. Glauben Sie, ein spottbilliger
Porträtfotograf wie ich könnte von seinen Hochzeits- und Paßfotos solche Wahnsinnssummen
auf den Tisch legen?«
    »Die Sätze sollen im Juli
wieder steigen, habe ich gehört«, meinte Binky.
    Delia sah sich im Zimmer um.
Als er von Fotografie redete, fielen ihr die Bilder auf, die überall hingen —
große Schwarz-Weiß-Fotos, professionell gerahmt. »Sind das Ihre Arbeiten?«
fragte Delia.
    »Die hier? Schön wär’s.«
    Er stand auf, diesmal griff er
nach seinem Stock. »Das sind die Aufnahmen der großen Meister«, sagte er und
tappte schwerfällig zu einem der Bilder, einer üppigen grünen Paprika. »Edward
Weston, Margaret Bourke-White...« Er drehte sich um und betrachtete das Foto zu
seiner Linken — Fabrikschornsteine, einer neben dem anderen, aufgereiht wie
Noten. »Ich, ich habe Bräute fotografiert«, sagte er. »Zweiundvierzig Jahre
Bräute. Ein paar Goldene Hochzeiten gelegentlich, zur Abwechslung. Dann kamen
meine Rückblenden, oder wie Sie das nennen wollen.« Er wies mit dem Bart nach
unten. Zuerst dachte Delia, er meinte den Teppich. »Als Junge hatte ich Polio,
und plötzlich holt mich die alte Geschichte wieder ein«, sagte er. »Thelma,
meine Frau, war bereits verstorben, aber sie hatte uns auf die Warteliste
setzen lassen, als Senior City noch in der Planung war. Keine Ahnung, warum:
denn sie hat sich hartnäckig

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