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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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Susie, »nach dem Streit mit Papa. Ich und Driscoll sind in
die St. Paul Street gezogen. Allein konnte ich mir nichts leisten. Und nach
Arbeit wollte ich auch suchen, aber erst wollte ich mich einrichten, verstehst
du? Küchenzeug kaufen und so weiter. Möbel hatten wir von zu Hause, aber keinen
Kleinkram, Töpfe oder so; besaß nicht mal ‘nen Kochlöffel. Ich bin also
rumgerannt, habe ein Vermögen ausgegeben, was mir nicht gehörte, hier was
gekauft und da was... dachte immer nur: Wie toll, wenn es den ganzen Küchenkram
irgendwo komplett gäbe! Alles auf einmal!‹ Und so bin ich auf die Idee
gekommen. Inzwischen habe ich hinterm Jahrmarktgelände einen Ausstellungsraum;
zehn Quadratmeter, aber immerhin — «
    »Ganz entzückend!« sagte Linda.
    »Und verkaufe komplette Kästen:
Küche im Kasten, Bad im Kasten... kaufe massenhaft Einzelteile und stelle daraus
die Kästen zusammen, verstehst du? An sämtlichen schwarzen Brettern aller Unis
im Umkreis hängen meine Reklamezettel. Ich habe jeden Tag geöffnet und ackere
wie ein Pferd; deshalb sollte die Hochzeit montags sein. Ich wollte mir das
Wochenendgeschäft nicht entgehen lassen. Jetzt habe ich bis Freitag
geschlossen, eigentlich hasse ich das. Doch Driscoll tut, als wäre das mein
Hobby. Als er von Eleanors Geld gehört hat, meinte er nur: ›Übernimm dich bloß
nicht!‹ Und: ›Hoffentlich hast du dich nicht verschätzt, Kind.‹ Unkt und gibt
mir nur Dämpfer; denkt, ich schaffe es nicht. Hält mich nicht mal für fähig,
einen simplen Duschvorhang für ‘ne Studentenwohnung zu kaufen und die paar
verdammten Befestigungsringe.«
    »Also Susie, das ist unfair«,
erklärte Spence unerschüttert. »Er will dich nur beschützen.«
    »Obendrein spuckt er immer
seine Obstkerne durch die Wohnung«, konterte Susie.
    Eliza setzte plötzlich
entschlossen die Tasse auf der Kommode ab.
    »Also schalte ich Alptraum
der Ulmenstraße aus«, sagte Susie, »gebe ihm seinen Ring wieder und fordere
ihn auf, seinen Kram zu packen. Und dann habe ich den Makler angerufen, aber es
war wohl schon zu spät abends. Und es tut mir leid, daß ihr alle umsonst
gekommen seid, aber ich habe schon zu Papa gesagt: Was ist schlimmer, die
Hochzeit absagen oder die Scheidung einreichen!«
    »Wo steckt Sam
eigentlich?« wollte Eliza wissen.
    Delia war froh, daß sie selbst
diese Frage nicht zu stellen brauchte.
    »Er zieht sich für die Hochzeit
um«, sagte Susie.
    »Aber du hast ihm doch gesagt —
«
    »Ich habe ihm gesagt, daß ich
es mir anders überlegt habe; da hat er lange die Augen geschlossen und dann
erwidert, er müsse sich für die Hochzeit noch umziehen.«
    Ja, das war typisch Sam.
    Delia stand auf. Sie sagte:
»Ich sehe mal, daß ich in die Gänge komme.«
    »Was denn?« wollte Linda
wissen.
    »Ich rufe den Makler an.«
    Sie ging zur Tür (das nächste
Telefon stand in Elizas Zimmer), aber Linda fragte: »Delia, mein Schicksal!
Heißt das, du sagst zu allem ja und amen?«
    »Was soll ich sonst sagen?«
fragte sie. »Soll ich sie an den Haaren zum Traualtar schleppen?«
    »Red doch mal vernünftig mit
ihr, um Gottes willen!«
    »Es bedeutet doch nicht jetzt
oder nie«, versetzte Delia. (Eigentlich redete sie mit Susie, die an der
Kommode lehnte und sie interessiert betrachtete.) »Wenn Susie heute unsicher
ist, ob sie Driscoll heiraten will, kann sie ihn immer noch morgen, nächste
Woche oder nächstes Jahr heiraten. Warum diese Eile?«
    »Sie hat gut reden«, erklärte Linda
den übrigen Anwesenden. »Sie mußte nicht Himmel und Hölle in Bewegung
setzten, um an Flugtickets zu kommen.«
    Delia drückte hinter sich die
Tür ins Schloß.
    Gleichzeitig öffnete sich Sams
Tür schräg gegenüber, und heraus trat: er. Sam zog seine Manschetten zurecht.
Er sah sie und stand auf der Stelle still. Die Treppe trennte sie, das
lackierte Geländer, deshalb blieb sie, wo sie war. Er sagte: »Ach, Delia.«
    »Hallo, Sam.«
    Er trug den schönen schwarzen
Anzug, den sie zusammen einige Jahre zuvor im Ausverkauf erstanden hatten. Sein
Gesicht war schmal geworden. Es schien ganz aus geraden Linien zu bestehen —
gerade graue Augen, eine leichte Hakennase, ein Mund, der zu gerade wirkte, bis
die Mundwinkel sich verzogen (wußte sie). Seine Brille rutschte, wie immer, und
als er sie hochschieben wollte, schien er seinen Augen nicht zu trauen. Sie
sagte: »Wußtest du nicht, daß ich komme?«
    »Doch«, sagte er.
    »Du hast sicher schon gehört,
daß Susie die Hochzeit abgesagt hat.«
    »Sie

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