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Kleine Abschiede

Kleine Abschiede

Titel: Kleine Abschiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tyler
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Home-Base, obwohl Delia rätselhaft war, wie er
so weit zu sehen hoffte.
    »Derek Ames«, informierte Belle
sie. »Gehört zu unseren besten Schlägern.«
    Delia sagte: »Ich denke mal,
die Statue steht im Weg.«
    »Oh, George spielt Short-stop«,
kicherte Belle. »Nein, im Ernst: es gibt eine Regel: Wer der Statue eins an die
Birne gibt, geht zu eins. Bevor Rick Rackley mitspielte, gab es automatisch
einen Lauf. Aber du kennst ja Berufssportler; die sind in allem unübertroffen.
Wenn Rick dran war, hat er den alten Georgie garantiert umgelegt.«
    »Rick Rackley ist
Berufssportler?«
    »War jedenfalls, bis sein Knie nicht
mehr mitspielte. Wo hast du bisher gelebt — auf dem Mars? Natürlich, Football,
aber glaub mir, die Blauen können froh sein, daß sie ihn in ihrer Mannschaft
haben. Das sind die, bei denen wir zuschauen, falls du nicht Bescheid weißt:
die Blauen gegen die Grauen. Die Blauen sind die Neuen in der Stadt; die Grauen
sind schon immer hier. Huch! Das hört sich ja schwer nach einem Home-Run an.«
    Aus der gegenüberliegenden Ecke
war ein weiteres Plop hörbar. Delia peilte hoch, sah aber nur dickes
Flanellweiß. Im Outfield (einem Grasdreieck hinter der zweiten Base) rief ein
Spieler dem anderen zu: »Wo ist er hin?«
    »Verdammt, wüßt’ ich auch
gern«, sagte der zweite Spieler. Dann, mit einem erschrockenen Grunzer, fing er
den Ball, der vor seiner Nase auftauchte. »Hab’ ihn«, rief er dem ersten zu.
    »Gesehen?«
    »Erwischt.«
    »Schon unten?«
    »Genau.«
    »Bobby hat ihn!« rief der erste
Spieler in Richtung Heimtor.
    »Was?«
    »Er hat ihn«, vermittelte
jemand. »Schläger ist aus.«
    »Ist was?«
    »Ist aus!«
    »Wo ist der Schläger?«
    »Wer ist der Schläger?«
    Vanessa gab ihrem Sohn noch
einen Tierkeks. »Nebel am Bay Day gehört dazu«, erklärte sie Delia. »Kein
Mensch hat dieses Spiel je richtig gesehen. So! Delia. Was hältst du denn von
deinem Arbeitgeber Zeke Pomfret?«
    »Na ja... schon in Ordnung«,
antwortete Delia. Wahrscheinlich hätte sie wissen sollen, daß allgemein bekannt
war, wo sie arbeitete.
    »Der ist wirklich ein feiner
Rechtsanwalt. Wenn du vorhast, dich scheiden zu lassen, kannste mit Zeke gar
nichts falsch machen.«
    Delia blinzelte.
    »Ja, bei meinem Exfreund war er
schwer Klasse«, bestätigte Belle. »Und Vanessa ihren Bruder Jip, diesen
Pechvogel, hat er auch aus dem Kittchen geholt.«
    »An Scheidung hab’ ich
eigentlich nicht gedacht«, sagte Delia.
    »Na klar! Bloß keine Eile! Und
außerdem, bei meinem Exfreund lag die Sache total anders als bei dir.«
    Was glaubten die beiden, wie
Delias Sache lag? Sie verkniff es sich, nachzufragen.
    Belle wühlte in ihrer großen
Tasche. Sie förderte eine blaßgrüne Flasche und einen Stapel Pappbecher zutage.
»Wein?« fragte sie in die Runde. »Mit popeligem Schraubverschluß. Erzähl’s
nicht Polly Pomfret. Nortons Fall lag ganz klar, was das angeht. Der war erst
ein Jahr verheiratet. Genau, an seinem ersten Hochzeitstag haben wir uns
kennengelernt. Spieler-Schnupperwochenende in Atlantic City; da war er mit
seiner Frau zum Feiern. Er und ich... klarer Fall von Schwerkraft, kannste wohl
sagen.« Sie reichte Delia einen Becher Weißwein. »Und außerdem klebte seine
Frau wie angelötet an den Automaten. Ich also, eins-zwei-drei, nichts wie nach
Bay Borough, und wir besorgen uns zusammen ‘ne kleine Wohnung und reichen bei
Zeke Pomfret die Scheidung ein.«
    Der Wein hatte einen
metallischen Nachgeschmack, wie Büchsenpampelmusensaft. Delia umfaßte den
Becher mit beiden Händen. Sie sagte: »Eigentlich habe ich noch nichts
Endgültiges vor.«
    »Oh, nein, natürlich nicht.«
    »Irgendwie fühle ich mich
momentan... ganz leer, kennt ihr das?«
    »Na klar!« antworteten beide
Frauen im Chor.
    Auf dem Platz war anscheinend ein
Spielabschnitt vorbei. Die Spieler, die sie bisher beobachtet hatten,
verschwanden, und neue Spieler tauchten auf, ein neuer Mann schwebte auf der
zweiten Base ins Bild, saß als fester Körper auf der Bank.
     
    * * *
     
    Sie träumte, Sam führe einen Lastwagen
durch den Vorgarten in Baltimore, und die Kinder spielten direkt auf seinem Weg
Verstecken. Sie waren aber noch klein, nicht wie jetzt. Sie wollte rufen und
sie warnen, aber ihre Stimme versagte, und sie wurden alle überfahren. Dann
stand Ramsay wieder auf, hielt sich das Handgelenk, und Sam stieg aus dem
Lastwagen und fiel hin, versuchte wieder aufzustehen, fiel, versuchte
aufzustehen, und der bloße Anblick gab Delia ein

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