Kleine Einblicke
im nächsten Augenblick zu schütteln, weil er Adrian natürlich nicht alleinlassen will, aber Tristan bleibt eisern und ich sehe beiden nach, wie sie das Zimmer verlassen, bevor ich mich auf Davids Besucherstuhl niederlasse.
Außer abwarten, dass Adrian demnächst aufwacht, ist nichts zu tun und während ich ihn betrachte, strecke ich die Beine aus. Er sieht schlimm aus mit dem getrockneten Blut in seinem Haar und den Verbänden im Gesicht und am Hals. Die Ärzte meinen, er hätte wahnsinniges Glück gehabt, dass die drei Kugeln keine wichtigen Organe oder Blutgefäße getroffen haben, sonst wäre Adrian noch im Gerichtssaal gestorben. So wird er, wenn alles gut geht, in zwei bis drei Wochen wieder zu Hause sein.
„Jag' mir nie mehr so einen Schrecken ein, du Idiot“, murre ich, als seine Augenlidern flattern. Vielleicht träumt er. Wenn ja, hoffe ich, dass es ein guter Traum ist. Ich muss grinsen. „Dir ist doch hoffentlich klar, dass du die nächste Packung meiner Haarfärbung bezahlst, oder? Ein neues Wochenende in Kanada kriegen wir außerdem, Mister FBI. Eigentlich könntest du gleich einen langen Urlaub daraus machen, findest du nicht?“
„Gieriger Kerl.“
„Was erwartest du denn, wenn du...? Oh, Fuck!“ Ich bin so schnell aus dem Besucherstuhl hoch und an seiner Seite, dass der Stuhl hintenüber kippt auf dem Fußboden landet. „Adrian?“
„Hm“, macht er zustimmend, öffnet und schließt seine Augen ein paar Mal, und seufzt dann leise, bevor er Davids Namen flüstert. Dass er überhaupt reden kann mit seiner Schussverletzung im Hals. Stur war er ja schon immer.
„Alles okay“, erkläre ich ihm und grinse ihn an. „Tris hat ihn vorhin niedergeschlagen, um ihn ins Bett zu stecken. Er wollte genauso wenig von dir weg, wie du nach seinem Unfall damals von ihm. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass du ein echt hässlicher Kerl bist.“
Zum Lachen ist Adrian zu schwach, aber seine Augen verraten mir, dass er innerlich grinst, bevor er eine Hand hebt und sie an den dicken Verband auf seiner Wange legt. Ich weiß, was er wissen will.
„Du hattest Glück und sehr harte Wangenknochen. Die Kugel ist abgeprallt. Der Durchschuss am Hals war, Gott sei Dank, harmlos.“ Ich muss über mich selbst lachen. „Na ja, so harmlos, wie eine Kugel im Hals eben sein kann. Du hattest wirklich mehr Glück als Verstand, und mindestens eintausend Schutzengel, wenn das mal reicht.“
„Craig“, flüstert er und lässt seine Hand wieder sinken. Dafür sieht er mich jetzt direkt an.
Ich schüttle schweigend den Kopf, was ihm Antwort genug ist. Adrian schließt die Augen und schläft ein, bevor ich ihn fragen kann, ob er etwas braucht. Seufzend hebe ich den Stuhl auf und setze mich wieder hin. Eigentlich sollte ich David oder Tristan anrufen, aber wenn sie hören, dass Adrian aufgewacht ist, wird vor allem David sofort wieder herkommen wollen.
Ich entscheide mich nach kurzer Überlegung dagegen und mache es mir so gut es geht bequem. Die nächsten Tage und Wochen werde ich sehr viel Zeit in diesem Stuhl verbringen, also fange ich am besten sofort damit an, mich an das ungemütliche Teil zu gewöhnen.
- Albtraum -
„Der Baum ist schief.“
„Ist er nicht.“
„Doch, ist er. Guck doch hin. Die Spitze ist schief.“
„Adrian, wenn du nicht bald aufhörst zu nörgeln, dann werde ich...“
„Ich kann nichts dafür, dass der Baum schief ist.“
„Ach so, jetzt bin ich daran Schuld, oder was?“
„Das habe ich doch gar nicht gesagt.“
„Aber gemeint.“
„Trey, ich...“
Heftiges Türknallen unterbricht Adrian mitten im Satz und ich muss mich schwer zusammenreißen, um nicht ins Wohnzimmer zu stürmen und ihm den Hals umzudrehen. So geht das jetzt schon seit drei Wochen und es ist mir ein Rätsel, wie David Adrians Launen solange ausgehalten hat, ohne mit Türen zu knallen oder ihn anzuschreien. Selbst Isabell hat ihren Vater vor einer Woche als 'böse' tituliert, nachdem er seine schlechte Laune an David ausgelassen hat. An diesem Abend ist mir nur nicht der Geduldsfaden gerissen, weil Tristan schneller war und Adrian die Leviten gelesen hat.
Geholfen hat es leider nicht und ich frage mich von Tag zu Tag mehr, wie schwer diese Schüsse ihn seelisch verletzt haben, denn Adrians Verhalten ist für uns unberechenbar geworden.
Dabei ging es ihm anfangs gut. Er erholte sich schnell und nur aus diesem Grund durfte er vor drei Wochen nach Hause, damit er mit seiner Familie Weihnachten
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