Kleine Einblicke
war. Kilian verdrehte die Augen zur Decke und schaltete dabei den Wasserkocher an. Adrian war echt unmöglich und wenn das so weiterging, würde er Isabell mit seiner Überfürsorge noch aus dem Haus treiben. Kilian drehte sich ganz zu dem Pärchen um und musste automatisch lächeln, als er sah, wie Julien Isabells Hand drückte und ihr zulächelte.
„Das wird schon“, sagte Julien im nächsten Moment. „Irgendwann wird er merken, dass ich kein Arsch bin.“
„Und wann? Wenn er die Einladungen zur Hochzeit bekommt?“
Kilian blieb der Mund offenstehen. Moment mal, Isabell war erst fünfzehn. Die Zwei konnten unmöglich daran denken zu heiraten. Das war doch gar nicht erlaubt, oder? Kilian war sich zwar nicht ganz sicher, aber wenn er nicht vollkommen danebenlag, galt Isabell mit ihren fünfzehn Jahren eindeutig als minderjährig, während Julien im schlimmsten Fall im Knast landen konnte, wenn Adrian oder David ihn anzeigten.
„Äh... habe ich da gerade heiraten verstanden?“ Julien und Isabell sahen ihn an und ihren Blicke waren deutlich. „Ach du Scheiße.“
Isabells empörter Blick sprach Bände. „Jetzt sag' nicht, dass du auch denkst, dass ich nicht mit Julien zusammen sein soll?“
„Nein, nein“, beeilte sich Kilian zu versichern und fuhr sich durch die Haare. „Versteht das nicht falsch, aber Julien ist erwachsen. Du bist erst fünfzehn Jahre alt, Isa, und du gehst noch zur Schule.“
„Deshalb wollen wir auch erst nach dem Studium heiraten“, erklärte Julien und sah ihn ernst an, als Kilian die Stirn runzelte. „Ich weiß, wie das aussieht, weil ich sechs Jahre älter bin als Isa. Aber ich liebe sie und ich werde warten, bis sie alt genug und wir vor dem Gesetz selbst entscheiden dürfen. Ich habe vor ein paar Tagen die Zusage für mein Studium in Harvard bekommen. Ich will Anwalt werden. Im Herbst ziehe ich ins Wohnheim der Uni. Isa und ich haben das alles bedacht.“
Harvard? Wow, der Junge wollte hoch hinaus. Moment mal... Kilian stutzte und musste sich im nächsten Moment das Lachen verkneifen. Julien wollte studieren, er wollte Anwalt werden, und er wollte Isabell. Kein Wunder, dass Adrian auf die Barrikaden ging. Isabell hatte einen Freund, der ihrem Vater charakterlich recht ähnlich war, und Mister Superanwalt Quinlan hatte in seinem Leben immer bekommen, was er wollte. Wenn Julien das genauso sah, würde er um Isabell kämpfen und Adrian früher oder später den Kürzeren ziehen. Der Apfel fiel bekanntlich nicht weit vom Stamm. Da war es auch völlig unerheblich, dass Julien gar nicht Adrians Sohn war.
„Wenn ich die Schule fertig habe, gehe ich nach Cape Elizabeth, um bei Onkel Dom zu wohnen, weil ich bei Onkel Cam eine Ausbildung machen will. Sie sind beide einverstanden und freuen sich schon“, erzählte Isabell im nächsten Augenblick weiter und schaute ihn an. „Ich möchte Therapeutin werden wie Onkel Cam, und wenn Julien mit dem Studium fertig ist und wir uns immer noch lieben, werden wir heiraten und in Boston leben.“ Isabell zuckte die Schultern. „Oder woanders, je nachdem wo wir Arbeit finden.“
Kilian musste ein Schaudern unterdrücken. Isabell wurde langsam aber sicher erwachsen, und sie hatte eindeutig den Willen und die Zielstrebigkeit von Adrian geerbt. Von David hatte sie hingegen den Blick für Menschen und das Künstlerische, auch wenn es bei ihr nicht die Malerei, sondern die Musik war, die ihr lag. Himmel, die Zeit verging. Gerade eben war sie noch ein Baby gewesen, dem er abends im Bett Geschichten vorgelesen hatte, und jetzt saß Isabell an seinem Küchentisch und plante ihre Zukunft.
Kilian fühlte sich auf einmal alt, dabei war er gerade mal Dreißig. Er schüttelte seufzend den Kopf und wurde misstrauisch, als Isabell und Julien sich auf einmal ganz merkwürdig ansahen. Da stimmte etwas nicht, er spürte es instinktiv. „Was ist noch?“
„Na ja...“, druckste Isabell herum und sah Julien hilfesuchend an, der daraufhin aufstand, so als wollte er Isabell beschützen.
Da war für Kilian alles klar. Genauso hatte Steven reagiert, als er ihn und Josey vor fünf Jahren zu Joseys Eltern begleitet hatte, nachdem sie schwanger geworden war. Mittlerweile waren sie glücklich verheiratet und das zweite Kind gerade unterwegs.
„Du bist schwanger?“ Kilian stöhnte auf und fuhr sich durch die Haare. Isabell traten die Tränen in die Augen. „Oh nein, mach' das ja nicht. Du weißt genau, dass ich mit so was nicht umgehen kann und außerdem ist
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