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Kleine Einblicke

Kleine Einblicke

Titel: Kleine Einblicke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathilda Grace
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mich davon ab, Adrian zu erwürgen, und ich schaue zum Eingang. Das muss er sein. Blondes, halblanges Haar, schlank und grüne Augen. Dazu dieser Blick, als er das Café genauer in Augenschein nimmt. Mein Gott, er ist wirklich genau wie ich. Zuerst ein prüfender Blick in sämtliche Richtungen und danach entscheidet er, ob er es für sicher genug hält, um einzutreten. Er trägt einen weißen Pullover und schwarze Jeans. Wäre Daniel nicht meinetwegen hier und gäbe es in meinem Leben nicht bereits Mikael, würde ich ihn wohl anmachen, denn er ist schön. Auf seine Art. Und er ist augenscheinlich nicht weniger nervös als ich, stelle ich fest, als Daniel uns entdeckt, einen Moment zögert, dann aber doch lächelt und zu unserem Tisch kommt.
    „Hi Adrian. Hi Colin.“
    Ich nicke nur, während Adrian sogar aufsteht, um Daniel lächelnd zu umarmen. Ich weiß, ich bin unhöflich, aber ich habe Angst, dass meine Beine mich nicht halten würden, wenn ich aufstehe, also wage ich den Versuch erst gar nicht und bleibe sitzen. Gott, ich möchte am liebsten in einem Loch im Boden verschwinden. Alles wäre besser und leichter, als hier zu sein.
    Daniel spürt genau, was in mir vorgeht. Sein Blick verrät es mir sofort, doch er ist schneller als ich. „Adrian, lässt du uns bitte allein?“
    Ich blicke ihn an, doch da hat Adrian sich bereits seine Tasse geschnappt und verschwindet nach einem verständnisvollen Blick. Er stellt keine Fragen, sondern geht einfach zu einem der Tische, die vor dem Café stehen, damit Daniel und ich in Ruhe reden können. Dieser Mann ist unglaublich und so langsam wird mir klar, wie er es immer wieder aufs Neue schafft, so leicht das Vertrauen anderer zu gewinnen. Er ist einfach da. So wie er es mir bei meinem ersten Besuch mit Kilian in Baltimore gesagt hat.
    „Du möchtest weglaufen, nicht?“, fragt Daniel, nachdem er sich zu mir gesetzt hat. „Egal wohin. Hauptsache, weg von hier.“
    Oh ja, er ist gut. Verdammt gut. Zu gut? Ich nicke nur, weil ich immer noch kein Wort herauskriege.
    „Ich habe mir sehr lange Zeit selbst die Schuld daran gegeben“, beginnt Daniel nach einem prüfenden Blick nach draußen zu erzählen und schüttelt freundlich lächelnd den Kopf, als die Bedienung in unserem Sichtfeld auftaucht. „Ich habe mich immer wieder gefragt, warum ich nichts bemerkt habe? Warum ich so naiv und dumm war? Du machst das auch, oder?“
    Nicken. Mehr geht nicht. Antworten, Wörter und Sätze bilden, und sie auch aussprechen ist völlig unmöglich. Ich sehe Daniel an und er erwidert meinen Blick mit einer Intensität, der ich nur schwer standhalten kann. Er weiß alles. Daniel hat dieselben Gedanken wie ich und er weiß auch, dass ich nicht mit ihm darüber reden kann. Nicht hier. Nicht heute. Eher ersticke ich, als ihm zu erzählen, was damals war. Wie ich mich gefühlt habe. Dreckig, weil ich, egal wie oft ich in den ersten Tagen duschte, immer noch ihre Hände auf mir fühlte. Wütend, weil die Cops mir nicht glaubten. Wütend auf mich selbst, weil ich so dumm gewesen bin, überhaupt in dieses Spielzimmer zu gehen.
    „Du weißt, dass du nicht Schuld bist?“
    Wieder ein Nicken. Ja, das weiß ich. Aber etwas zu wissen und es wirklich zu glauben, das sind verschiedene Dinge. Denn ich zweifle selbst heute noch manchmal. An mir selbst.
    „Dein Freund, Mikael. Weiß er Bescheid?“ Bevor ich nicken kann, hebt Daniel die Hand. „Kennt er die Details? Jede Einzelheit?“
    Ich schüttle den Kopf. Entsetzt. Fassungslos. Will er etwa, dass ich Mikael davon erzähle? Alles? Reicht es nicht, dass er Bescheid weiß, was passiert ist? Muss er alles wissen?
    „Ja.“
    Wie bitte? Ich sehe Daniel verblüfft an. „Was?“
    „Du hast laut gedacht“, antwortet er und lächelt kurz. „Und die Antwort ist Ja. Er muss es wissen und du musst darüber reden. Wenn nicht mit ihm, dann mit jemand Anderem, aber irgendwann muss er es wissen. Alles.“
    „Warum?“
    Daniel sieht aus dem Fenster, bevor er weiterspricht. „Vertrauen ist etwas Kostbares, Colin. Connor musste um mein Vertrauen sehr lange kämpfen. Ich hatte Angst. Vor ihm. Vor meiner Vergangenheit. Vor dem Leben. Aber mit der Zeit habe ich verstanden, dass es für uns beide wichtig ist, dass er weiß, was damals passiert ist. Dass er jedes Detail kennt. Von der Folter selbst und auch von dem, was mir deswegen durch den Kopf ging.“ Daniel sieht mich wieder an. „Connor hatte nämlich auch Angst.“
    „Wovor?“, frage ich, weil ich mir nicht

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