Kleine Einblicke
einfach da und ist es noch.
„Ich müsste mit Mikael reden, nicht mit dir. Er ist mein Freund, nicht du“, schimpfe ich wütend und beginne unruhig vor Adrian auf und abzulaufen, bis mir dann auffällt, wie verletzend das für ihn geklungen haben muss. „Es tut mir leid, so war das nicht gemeint“, murmle ich und sehe ihn entschuldigend an.
Adrian lehnt sich mit dem Rücken gegen die Fensterscheibe. „Ich weiß, wie du es gemeint hast und das ist auch in Ordnung. Ich weiß allerdings auch, warum du gerade bei mir bist und nicht bei ihm.“
„Und warum?“
„Weil er dir wichtiger ist.“
„Was?“ Ich habe keine Ahnung, was Adrian damit meint.
„Ich bin außen vor. Mikael ist dein Freund. Auch wenn dir das wahrscheinlich nicht einmal auffällt, du bist automatisch gehemmt bei ihm. Bei Devin wäre es genauso. Diese seelische Grenze gibt es zwischen uns nicht, dafür kennen wir uns noch nicht lange genug.“
Das ist doch Quatsch. Ich meine, Adrian ist ein Freund, aber ich müsste mit meinen Erinnerungen doch zuerst zu Mikael gehen können, weil ich ihn liebe. Oder zu Devin, weil er mein bester Freund ist. Oder etwa nicht? Ich weiß, dass sie für mich da wären. Ich weiß es ganz sicher. Gut, bei Adrian weiß ich es auch, aber das ist nicht dasselbe. Es kann nicht dasselbe sein. Oder doch? Himmel, dieses gedankliche Hin und Her macht mich noch verrückt.
„Ich kriege Kopfschmerzen.“
„Kein Wunder. Ich sehe deine Gedanken förmlich rotieren“, meint Adrian ruhig, was mich schnauben lässt. „Colin, hör' auf. Egal wie du es auch drehst und wendest, es ändert sich nichts. Jeder Mensch sucht instinktiv nach dem Zuhörer, von dem er annimmt, dass er der Richtige für eine Sache ist. Mikael würde dir zuhören und dir auch helfen, aber du bist einfach noch nicht soweit, um ihm davon zu erzählen, was du damals in diesem Spielzimmer erlebt hast. Und das ist kein Verbrechen, okay?“
„Wieso rede ich dann mit dir darüber?“
„Das tust du doch gar nicht.“
„Du weißt genau, was ich meine“, fahre ich Adrian an. „Aber wenn dir das lieber ist, kann ich dir gerne eine perfekte Aufstellung geben, wer wo stand und wie sie... Wie sie mich...“
Allein die Erinnerung daran reicht aus, dass mir schlecht wird, und plötzlich fühle ich ihre Finger wieder auf meiner Haut. Ich reibe mir die Arme und weiche unwillkürlich aus, als Adrian seine Hand ausstreckt, was mir ein Stirnrunzeln einbringt, bevor er sich von der Scheibe abstößt und dicht vor mich tritt. Zu dicht und das weiß er, weil es Absicht ist. Und ich...
Ich bleibe stehen, obwohl ich am liebsten weiter zurückweichen würde, aber das kommt nicht in Frage. Die Blöße gebe ich mir nicht vor Adrian. Die gebe ich mir vor niemandem. Vor Mikael vielleicht, aber Mikael ist nicht hier. Deswegen bleibe ich stehen. Deswegen halte ich still, als Adrian eine Hand um mein Handgelenk schließt, mich dabei ganz genau beobachtet und schließlich kurz über meinen nackten Unterarm fährt, um dann loszulassen und einen Schritt nach hinten zu treten.
„Ich an deiner Stelle, hätte mir längst eine verpasst, Colin.“
„Ich bin nicht du“, ist alles, was mir dazu einfällt, obwohl mir klar ist, dass ich gerade Mist gebaut habe. Adrian hat mich direkt und offen herausgefordert und ich habe meine Maske benutzt, obwohl er mein Freund ist. Ich habe Adrian etwas vorgespielt, obwohl ich hätte zurückweichen können, ohne dafür verurteilt zu werden.
Adrian nickt. „Ich weiß und ich bewundere dich gerade für deine Beherrschung. Aber sie wird dich in Teufels Küche bringen, wenn du das bei Mikael genauso machst, das weißt du, oder?“
Verdammter Kerl.
Ich weiche seinem Blick aus. „Es tut mir leid.“
„Colin...“ Adrian wartet, bis ich ihn ansehe. „Du redest mit mir darüber, weil du Angst hast.“
„Hätte ich Angst vor dir, würde ich kaum darüber reden“, kontere ich und lasse zu, dass Adrian erneut meine Hand nimmt. Er geht zum Fenster und zieht mich neben sich. Diese Aussicht ist wirklich der Wahnsinn und sie beruhigt mich. „Ich habe keine Angst von dir.“
„Ich weiß. Aber du hast Angst vor Mikaels Reaktion.“
Ich verstehe nur Bahnhof. „Was?“
„Du liebst ihn. Er bedeutet dir viel mehr als ich. Meine Meinung ist unwichtig für dich, im Gegensatz zu seiner. Wenn du mir alles erzählst und ich dich dafür irgendwie verurteile, wäre das schlimm für dich, aber du würdest danach aus meinem Leben verschwinden und fertig.
Weitere Kostenlose Bücher