Kleine Fische zählen nicht
mysteriösen Anrufe begannen also am Fünften. Strengen Sie jetzt Ihr Gedächtnis ein bißchen an. Was machten Sie am Vierten?«
»Am vierten? Nichts Besonderes, nur Routinekram.«
»Und am Dritten?«
Sie runzelte die Stirn. »Ich glaube... nein, ich bin sicher, da war auch nichts Besonderes los.«
»Wie steht es mit dem Abenden?«
»An einem Abend ging ich ins Kino. Ich leistete mir einen Cocktail, ein Dinner und eine Kinokarte.«
»Gingen Sie allein aus?«
»Ganz recht, und weil ich allein war, wollte man mich zuerst nicht in die Cocktailbar lassen. Da ich aber schon mal dort gewesen war, kannte mich der Kellner. Ich sagte ihm, mein Begleiter käme nach.«
»Sahen Sie in der Cocktailbar jemanden, den Sie kannten?«
»Ich... « Sie verstummte unvermittelt.
»Ja?« fragte ich.
»Einige Mädchen.«
»Freundinnen? «
»Nein, ich kannte sie von Mrs. Latty her. Ich glaube, es waren ihre Mädchen.«
Im gleichen Moment bog Elsie Brand in die Seitenstraße ein und hielt Ausschau nach einem Parkplatz.
Ich machte die Wagentür auf. »Kommen Sie, Marilyn. Da ist Elsie. Ich möchte Sie bekannt machen.«
11
Elsie Brand sah uns nicht, bis ich auf die Hupe drückte; als sie mich erkannte, leuchtete ihr Gesicht auf.
Sie fuhr an den Randstein und stieg aus.
Ich half Marilyn aus dem Wagen.
»Was ist los, Donald?« fragte Elsie mit einem neugierigen Blick auf Marilyn.
»Ich brauche mal wieder Ihre Hilfe, Elsie. «
»Gern und jederzeit.«
Nachdem ich die beiden Mädchen einander vorgestellt hatte, sagte Elsie nachdenklich: »Marilyn Chelan? Hab’ ich Ihren Namen nicht kürzlich im Büro gehört oder in einer Aktennotiz gelesen? Ich bin Donald Lams Sekretärin, wissen Sie?«
»Wir haben bei Miss Chelan als Leibwache fungiert«, erklärte ich.
»Oh«, sagte Elsie.
»Ich möchte mit ihr sprechen, und zwar in Gegenwart eines Zeugen. Ich muß nämlich ihr Gedächtnis nach etwas durchstöbern, das sie weiß, von dem sie aber nicht weiß, daß sie’s weiß. Und Sie sollen mir dabei helfen.«
»Gleich?« fragte Elsie. »Wollen wir nicht vorher etwas essen? Ich kann rasch was zurechtmachen, falls Sie nicht einen Bärenhunger haben. Fleisch ist keins da. Ich dachte an Rühreier mit Speck.«
»Zuerst die Arbeit«, sagte ich. »Wenn wir fertig sind, führe ich Sie beide zum Dinner aus.«
»Nein, bloß nicht!« rief Marilyn. »Ich will irgendwohin, wo mich niemand sieht und wo mich diese entsetzlichen Telefonanrufe nicht erreichen können und...«
Da ich wußte, daß Elsie eine Schwäche für gutes Essen hatte, sagte ich: »Okay, wir unterhalten uns ein Weilchen, und dann geh’ ich dicke, zarte Lendensteaks kaufen. Wir braten sie im Grill, und Elsie tut indessen einige Kartoffeln zum Backen in den Ofen. Wenn sie weich sind, nehmen wir sie raus, schneiden sie auf, füllen sie mit Butter und Käse und legen sie in den Ofen zurück. Ich
besorge ein großes Glas mit Zwiebelringen, französisches Brot und eine Flasche Rotwein. Was haltet ihr davon?«
»Das klingt einfach wundervoll«, sagte Elsie.
»Ich habe zwar nicht viel Hunger«, meinte Marilyn, »aber Ihre Schilderung hat unbedingt etwas Appetitanregendes.«
Wir gingen in Elsies Apartment.
»Entschuldigt mich für einen Moment. Ich möchte mich nur ein bißchen frisch machen. Bin gleich wieder da«, sagte Elsie.
Marilyn sah mich fragend an. »Wo werde ich heute nacht schlafen, Donald?«
»Keine Bange, das findet sich alles. Lassen Sie das meine Sorge sein.« Ich setzte mich neben sie.
»Was meinten Sie damit, Sie müßten etwas herausfinden, das ich wüßte, von dem ich aber nicht wüßte, daß ich es weiß?«
»Genau das, was ich sagte«, erwiderte ich. »Meiner Meinung nach passierte am Vierten irgend etwas Bedeutungsvolles, das Sie vergessen haben. Oder Sie haben’s nicht vergessen, sind sich aber nicht klar darüber, wie wichtig es ist.«
Als ich sie forschend ansah, schlug sie die Augen nieder.
»Ist es Ihnen wieder eingefallen?« fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf.
»Na gut. Wir haben Zeit. Machen Sie sich’s bequem. Hier tut Ihnen niemand was.«
Elsie kam aus dem Bad, sauber und frisch wie ein Gänseblümchen, und musterte Marilyn Chelan in der Art, wie alle Frauen einander bei der ersten Begegnung mustern — eine visuelle Inventaraufnahme, die sich von Kopf bis Fuß erstreckte und auch dazwischen nichts ausließ.
Ich setzte Elsie ins Bild. »Zunächst möchte ich vorausschicken, daß unsere Detektei damit beauftragt wurde, Marilyn vor
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