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Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Titel: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Brunner
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wurden auch sie zum Schutz des Landes herangezogen.
    Aber auf dem Hof, der ihnen aus dem Eigentum der Herren «geliehen» wurde, konnten sie relativ frei schalten. Sie konnten ihren Besitz meist vererben und waren dementsprechend daran interessiert, Land und Vieh in gutem Zustand zu halten. Das gilt aber nur für Bauern mit eigenem Hof, nicht für die übrigen in der Landwirtschaft tätigen Personen. Diese hatten einen weit geringeren Status. Außerdem gab es, vor allem im Zweiten Mittelalter,auch für die Bauern schlechtere, z.B. befristete Leiheformen. Mit diesem zugleich unfreien, aber im eigenen Bereich weitgehend selbstständigen Bauerntum haben wir einen zweiten Baustein für den europäischen Sonderweg vor uns (vgl. S. 23).
    Abb. 5: Idealisierte Darstellung eines bajuwarischen Dorfes
(Zeichnung Werner Hölzl)
    Die einfachen Häuser der Bauern sahen so aus wie seit vorgeschichtlicher Zeit: langgestreckte Pfostengebäude, meist mit lehmbestrichenenFlechtwerkwänden. Um 1200 schildert der
gelêrte man
Otte ein armes Haus als nieder, mit Strohbündeln gedeckt – eine Version hat Schindeln, die wären schon eine Klasse besser –, mit schadhaftem Zaun und «faulen» Wänden – wohl aus Holz –, das Dach in der Mitte von einem krummen Pfosten gestützt, welcher die Sparren trägt. Von der Tür aus sieht der Besucher eine alte Frau bei einer Glut, wohl an einem offenen Herd (Otte, Eraclius 2378ff.).
    In ein solches Haus kann man noch im Februar-Bild des Stundenbuchs «Les très riches heures du Duc de Berry», einem zu Beginn des 15. Jahrhunderts entstandenen prächtigen Gebetbuch, hineinschauen. Innerhalb der mit einem Flechtzaun umgebenen Hofstelle sieht man dort auch Wirtschaftsgebäude und einen Getreidespeicher auf Stelzen.
    Der Stall befand sich vielfach unter demselben Dach wie der Wohnteil. Das war schon so bei den Häusern in der Wikingerstadt Haithabu bei Schleswig vor der Jahrtausendwende und findet sich noch im Spätmittelalter in Pfaffenschlag bei Slavonice in Südmähren. Dort allerdings waren die Wände der Stallteile schon aus Stein gebaut. Die Wohnteile standen zwar auf steinernen Grundfesten, ihre Wände bestanden aber aus festen Bohlen.
    In einigen Güterverzeichnissen zählt das Bauernhaus sogar zur «Fahrhabe», zum beweglichen Gut. Das kam z.B. dann zum Tragen, wenn es in der Nähe eines Flusses stand, wo es nach den Frühlingsüberschwemmungen, deren Schlamm als Dünger willkommen war, jedes Jahr wieder neu aufgebaut werden musste.
    Wichtig war der Zaun, in Flechtwerk oder aus gekreuzten Stäben, manchmal auch nur aus einer Dornenhecke. Er diente weniger zur Abwehr von Dieben und Feinden als zum Schutz des Geflügels und Kleinviehs vor wilden Tieren. Vor allem aber umgrenzte er auch bei einer Bauernhütte einen eigenen Rechtsbezirk, innerhalb dessen ein besonderer Friede herrschen sollte. Hausfriedensbruch wurde besonders schwer bestraft.
    Auch Adelige hatten ein Interesse daran, die Bewohner von Höfen und Dörfern zu schonen, weil sie ja von deren Erzeugnissenund Diensten lebten. Bis ins 12. Jahrhundert war die Bindung zwischen Herrn und Bauern, die einen Teil ihrer Produkte als Abgabe (Steuer) lieferten, noch recht unmittelbar. Litten die einen Not, hatten die anderen auch nichts zu essen. Im Kriegsfall waren allerdings die Bauernhöfe erstes und leichtestes Angriffsziel.
Dorf
    Ein Dorf ist mehr als eine Ansammlung von Häusern; das war es möglicherweise einmal gewesen. Aber im Laufe der Zeit wurde der Platz zu einem eigenen kleinen Rechtsbezirk. Er war in der Regel ebenfalls umhegt, oft einfach mit einem Dornengebüsch, von dem man auch Beeren und Schlehen ernten konnte.
    Gemeinsame Anlagen, von den Wegen über Brunnen bis zur Kirche, und gemeinsame Regelungen wirtschaftlicher Angelegenheiten und bei der Konfliktlösung gehörten dazu, eventuell auch die gemeinsame Nutzung von Weiden, Mooren und Wäldern (Allmende). Außerdem findet man meistens die Reste einzelner Handwerksbetriebe, wie von Schmieden und Töpfern, und kleinere Häuser von Personen, die besondere Aufgaben übernehmen, wie Hirten. Es kam nicht selten vor, dass einzelne Höfe eines Dorfes wegen Erbteilungen, Schenkungen oder sonstiger Geschäfte verschiedene Herren hatten. Dann war es wichtig, dass sich in den Dörfern selbst Instanzen der Konfliktlösung in alltäglichen Fällen bildeten.
    Stärker ausgeprägte Organisationsformen und dörfliche Funktionsträger (z.B. Ammann, Schultheiß) werden meist ab dem

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