Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
die Kindheit Jesu erfreuten sich großer Beliebtheit.
Am 17. September ist das Fest des heiligen Lambert, der es zu einem wichtigen Viehheiligen gebracht hat, am 21. das Fest des Apostels Matthias, ein Zinstermin. Zu Michaeli am 29. September, einem weiteren wichtigen Zinstermin, sollte die Schweinemast beginnen. Der Erzengel als Seelenführer war Patron vieler Kirchen.
Das jüdische Neujahr (Rosch ha-Schana), das Versöhnungsfest (Jom Kippur) und das Laubhüttenfest (Sukkot), die in den Herbst fallen, werden wohl auch von christlichen Nachbarn bemerkt worden sein.
Doch allzu oft wurde in dieser Jahreszeit der Friede gebrochen. Kaum war das Getreide geerntet, begannen Kriege. Große Ansammlungen von Menschen konnten jetzt ernährt werden, das Getreide in den Scheunen der Feinde konnte als Beute locken. Die sumpfigen Niederungen an den Flüssen waren weitgehend trocken, so dass die Heere rasch vorankamen. Fand kein Krieg statt, dann immerhin eine Jagd, ein standesgemäßes Herbstvergnügen, auf das auch viele Bischöfe nicht verzichten wollten, obwohl sie als Geistliche eigentlich keine Waffen führen durften. Wenn die Abgaben eingetrieben waren, konnten sich Adelige wieder ein ritterliches Leben leisten.
September und Oktober sind im Bauernjahr einerseits bestimmt von der Weinlese, andererseits von der Aussaat des Wintergetreides. Außerdem war noch viel zu ernten, vor allem das kostbare Lagerobst, Äpfel und Birnen, und die wichtigste Nahrungsgrundlage für den Winter neben dem Getreide: das Kraut (Kohl). Ein weiteres haltbares Lebensmittel wurde eingesammelt: die über den Sommer, oft auf den Almen, produzierten Käse, hart oder geräuchert, und oft gerade so groß, wie sie zwei Hände formen konnten.
Ab der Jahrtausendwende verbreitete sich der Gedanke, an der Wende vom Oktober zum November ein allgemeines Totengedenken zu begehen (Allerseelen und Allerheiligen). Zu Martini dann, am 11. November, waren neben anderen Abgaben die Gänse fällig.Das, was sie kostbar machte, waren ihre Federn, die Vögel selbst wurden oft in einem Festmahl gemeinsam von Herren und Knechten gegessen. Es war das letzte vor der weihnachtlichen Fastenzeit. Solche standesübergreifenden Festmähler waren wichtig für den Zusammenhalt einer Familia. Diese Zinstermine blieben auf diese Weise auch den Bauern nicht nur in schlechter Erinnerung. Der Aposteltag des Andreas am 30. November war ein weiterer wichtiger Abgabetermin.
So ist der ganze Jahreskreis eingebettet in den Zyklus der Heiligenfeste. Krönungen von Herrschern und Amtseinführungen von Bischöfen und Päpsten fanden fast immer an besonderen Heiligenfesten oder bestimmten Sonntagen im Kirchenjahr statt, deren Evangelien – wie das vom Sonntag Laetare (vgl. S. 173) – als eine Art Programm gelten konnten. Beliebte Volksfeste waren die Kirchweihfeste, bei denen die Heiligen, denen die jeweiligen Kirchen geweiht waren, eine große Rolle spielten. Oft wurden dabei deren Reliquien in Prozessionen herumgetragen. Das geschah manchmal auch, wenn für einen Kirchenbau gesammelt wurde.
Reliquien
Reliquien sind Gedenkstücke an Heilige oder an die Erlösungstat Christi. Das können Überreste des Körpers sein, der Gewänder oder andere Objekte, die mit der verehrten Person in Verbindung standen. Auch «Kontaktreliquien» wurden hoch geschätzt, d.h. Objekte, die man mit besonders wertvollen Reliquien in Berührung gebracht hatte. Schon der Kirchenvater Augustinus hatte mit dieser manchmal recht materialistischen Form des Märtyrer- oder Heiligengedenkens seine Schwierigkeiten, aber aus dem europäischen Christentum ist sie nicht wegzudenken.
In der Reliquie wurde die Präsenz der heiligen Person gesehen, an die man sich im Gebet mit der Bitte um Vermittlung zu Gott wandte. In jedem Altar ist eine Reliquie, vorzugsweise des Kirchenpatrons, eingelassen. Es gab einen regelrechten Reliquienhandelund zahllose Reliquienfälschungen. Mit den angeblichen Spänen des Kreuzes könnte man viele Wägen füllen. Der französische König verteilte – nicht ohne politische Absichten – großzügig Stücke von der Dornenkrone (vgl. z.B. S. 69), die in der Sainte Chapelle aufbewahrt wurde. Die Christus-Reliquien hatten auch einen politisch legitimierenden Charakter. Der Kirchenlehrer Ambrosius beispielsweise berichtet 395 zum ersten Mal von der Auffindung des wahren Kreuzes durch Helena, die Mutter Kaiser Konstantins des Großen. Vom Heiligen Gral war im Zusammenhang mit der
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