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Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters

Titel: Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Brunner
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Artus-Dichtung schon die Rede (S. 74). In diesem Kontext wurde auch auf das Heilige Blut verwiesen, das sich in manchem Fürstenschatz befand.
    Die Heilige Lanze, mit der Jesus am Kreuz angeblich in die Seite gestochen wurde (vgl. Joh 19, 34), gehörte ebenfalls zu diesen Gedenk-»Reliquien» an die Erlösungstat Christi. Die Lanze, die in der Wiener Schatzkammer aufbewahrt wird, stammt zwar aus der Karolingerzeit, aber metallurgische Analysen haben ergeben, dass in das Eisen ältere Partikel eingeschmolzen worden waren, die man wohl für Teile der Kreuzesnägel hielt. Die Achatschale in der Wiener Schatzkammer, die aus dem 4. Jahrhundert stammt, wurde oft mit dem Gral in Verbindung gebracht.
Lebenskreis
    Die Taufe als symbolische Reinigung ist, nicht nur in der jüdischen Tradition, längst vor dem Christentum bekannt. Für die Christen bedeutet sie die Aufnahme in die Gemeinde und ersetzt die Beschneidung. Der Kirchenvater Augustinus propagierte die Kindertaufe.
    Seit dem späten 12. Jahrhundert existierte die Vorstellung, dass ungetaufte Kinder nicht in den Himmel kämen, sondern in einem «Limbus» bleiben müssten. Diese Vorstellung war zwar nie Bestandteil der offiziellen Glaubenslehre, ist aber erst in jüngster Zeit ausdrücklich als veraltet bezeichnet worden. Unter diesem Limbusverstand man eine Art Zwischenort ähnlich dem, den man sich für die ebenfalls ungetauften, aber verdienstvollen Menschen des Alten Testaments und für die frommen Heiden vorstellte (Dante, Inferno 4, 45). Er wurde in der «Unterwelt» gedacht, nahe der Hölle, jedenfalls fern vom Anblick Gottes. Daraus entstand das Missverständnis, es sei ein eher düsterer Ort; das war er z.B. für Thomas von Aquin († 1274) durchaus nicht.
    Solche Lehren, vielleicht auch noch vergröbernd gepredigt, setzten die Eltern in den ersten Lebenstagen eines Kindes unter Umständen schwer unter Druck. Die meisten Geistlichen verschwiegen zudem, dass jeder Christ taufen könne. Eine Nottaufe für das ungeborene Kind noch im Mutterleib war aber ausdrücklich verboten. Viele versuchten also, besonders schwache Kinder so rasch wie möglich zu einem Priester zu bringen.
    Allerdings liest man ebenso im umgekehrten Fall, dass Familien der Oberschicht die Taufe so lange hinauszögerten, bis ein möglichst repräsentativer Pate oder eine Patin anwesend war und sich ein großer Kreis der Familie sammelte. Die Patenschaft schuf eine auch rechtlich relevante verwandtschaftliche Beziehung und half daher, das feudale Netzwerk zu verstärken. Sogar Verträge wurden durch Patenschaften, z.B. die eines Herrschers für den Sohn eines anderen, gefestigt.
    Die Firmung schließt den Taufprozess ab. Bei der Erwachsenentaufe wird die Salbung unmittelbar danach gespendet. Schon in der Kirchenväterzeit war es zumeist der Bischof, der die Salbung und die Handauflegung zur Bekräftigung der Taufe vollzog. Ab dem 12. Jahrhundert wurden die theologischen Grundlagen für die Herausbildung der Firmung zu einem eigenen Sakrament geschaffen. Für die Lebenswirklichkeit der meisten Menschen spielte die Firmung im Mittelalter aber keine besondere Rolle.
    Nach der jüdisch-christlichen Tradition ist die Ehe genau genommen das älteste Sakrament: Man bezieht sich auf den Schöpfungsmythos mit Adam und Eva, die vor dem Sündenfall ausgesprochene Weisung «Seid fruchtbar und vermehret euch»(Gen 1, 28) und die Hochzeit von Kana (Jh 2, 1–11), das erste Wunder Christi.
    Aber im ersten Jahrtausend spielte die Kirche im Heiratsgeschehen kaum eine Rolle. Die Eheschließung war ein Vertrag zwischen zwei Familien und diente oft der Herstellung und Festigung eines Bündnisses. Wichtig waren daher die Öffentlichkeit und die Anwesenheit möglichst prominenter Zeugen. Die Kirche versuchte, nach römischer Tradition, ein Eheverbot wegen zu naher Verwandtschaft durchzusetzen, was in adeligen Kreisen lange Zeit nicht besonders gut ankam. Außerdem sollte die Ehe nach kirchlicher Vorstellung nicht erst durch den Beischlaf, sondern schon durch den Konsens der beiden Partner begründet werden. Grundsätzlich ist der Priester bei der Eheschließung bis zum heutigen Tag nur Zeuge, das Sakrament spendet das Paar einander. Auch im Nibelungenlied gehen die Ehepaare erst nach der vollzogenen Hochzeit in die Kirche.
    Schon in der Römerzeit war die Ehe mit Unfreien verboten – und das Verbot wurde immer wieder gebrochen. Nach strengem Recht sollten die Kinder «der ärgeren Hand» folgen, d.h. den Stand

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