Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters
des rangminderen der beiden Partner annehmen. Auch das wurde immer wieder missachtet. Für die Spätantike und das frühe Mittelalter wird berichtet, dass junge Männer in der Jugend eine feste Partnerin, oft minderen Standes, hatten – wie z.B. der Kirchenvater Augustinus selbst – und erst später eine standesgemäße Ehe schlossen.
Für Menschen ohne eigenen Hausstand, also für einen erheblichen Teil der Bevölkerung, gab es lange Zeit kaum einen Grund, eine förmliche Ehe zu schließen; manchen war es sogar verboten. In diesem Bereich begann die Kirche erst im späteren Mittelalter sich langsam durchzusetzen. Nur bei Bauern mit eigenem Hof lag es im Interesse der Herrschaft, für eine rechtlich geregelte Nachkommenschaft zu sorgen. Außereheliche Kinder waren nicht erbberechtigt, wurden aber, wie immer wieder zu beobachten ist, von den Vätern versorgt. Für ein geistliches Amt war außerehelicheGeburt ein Hindernis, von dem man sich jedoch dispensieren lassen konnte.
Viele Menschen der Oberschicht schufen sich ein weiteres Fest im Lebenskreis: Die feierliche Schenkung eines Vermögensteils an eine kirchliche Institution. Sie begründete ein spezielles Verhältnis mit den dort beheimateten geistlichen Personen, auf deren Gebet man großen Wert legte. Außerdem konnte man sich in Klöster, die man bestiftet hatte, im Alter zurückziehen, konnte dort im Notfall um Unterstützung bitten, vielleicht von dort auch geistliches Personal für Kanzlei und Erziehung bekommen und, was am wichtigsten schien, sich dort einen Begräbnisplatz sichern.
Für Menschen im Mittelalter war der Tod allgegenwärtig. Wenn es irgendwie ging, machte man aus dem Übergang in das Jenseits ein öffentliches Ereignis. Ein plötzlicher Tod schien eine Strafe Gottes zu sein. Man ordnete seinen Nachlass, hielt noch eine mahnende Rede und bereitete sich durch Beichte und Kommunion auf den Tod vor. Es gab ein Sakrament des Trostes, die Krankensalbung, die früh schon zum Sterbesakrament verkam. Im Testament wurden auch wohltätige Stiftungen festgehalten. Darunter waren Spenden für die Armen, Aufträge für eine Anzahl heiliger Messen und die Feier von Jahrtagen.
Das Begräbnis war eine bedeutende öffentliche Veranstaltung, auch für die jüdische Bevölkerung. In großer Prozession wurde der Leichnam zum Friedhof geleitet. Für die Hinterbliebenen war das nicht nur ein Ritual des Trostes, sondern auch eine Gelegenheit, gesellschaftliche und familiäre Verbindungen zu erneuern.
Höfische Feste
Ein «Hof» ist zunächst eine Gruppe von Personen um einen hohen Adeligen, einen Fürsten oder König – mitsamt dem ganzen Personal. Diese Gruppe bestimmt, was «höfisch» ist, und das nachhaltig:
Wir verwenden immer noch das Wort «höflich» für gutes Benehmen.
Der Hof oder Teile davon waren viel unterwegs, denn der Fürst musste sich zeigen und im ganzen Herrschaftsgebiet seines Amtes walten, beispielsweise als Gerichtsherr. Die benötigte Infrastruktur fand er an bestimmten bevorzugten Orten, Pfalzen (von lat.
palatium,
Palast), wenn er nicht bei einem der Großen, vornehmlich Geistlichen, zu Gast war. Im späteren Mittelalter blieben Teile der Höfe, z.B. das Pariser «Parliament», der königliche Gerichtshof, in Städten, die zu Residenzen wurden. Aber die Könige und Fürsten selbst reisten weiterhin viel. Umzug und Einzug blieben bis in die Neuzeit ein wesentliches Element höfischer Selbstdarstellung. Höfisches Auftreten hatte also immer auch einen medialen Charakter und dadurch eine starke Vorbildwirkung.
Geistliche Höfe, vor allem die von Bischöfen, waren nicht derart mobil. Wenngleich der Bischof selbst mit seinem Gefolge ebenfalls ständig unterwegs war, um zu visitieren und Synoden abzuhalten, blieb der Kern seiner Verwaltung am Bischofssitz. Pfarrpriester mussten mindestens einmal im Jahr zur Bischofskirche kommen, nämlich vor Ostern, um das Salböl (Chrisam) abzuholen. Bei dieser Gelegenheit wurden Einzelne geprüft und – in der Karwoche bis zum Mittwoch – viele Geschäfte abgewickelt.
In Rom wurden seit Papst Leo IX. († 1054) regelmäßig Fastensynoden abgehalten, die auch – wie z.B. im sogenannten Investiturstreit – politischen Charakter annehmen konnten. Im Übrigen war der päpstliche in vielerlei Hinsicht das verwaltungstechnische Vorbild aller Höfe. Bischöfe sollten ihn regelmäßig besuchen, Herrscher mussten ständig mit ihm in Verbindung bleiben, nicht nur für die Kaiserkrönungen. Über die
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