Kleine Luegen erhalten die Liebe
einige das Offizielle Scrabble-Wörterbuch zurate zogen. Mia konnte nicht glauben, wie ernst alle das Spiel nahmen. Es war ein regelrechter Wortkrieg.
In der Pause gab es noch mehr Gebäck und dazu Sherry, und weil Weihnachten war, wurde auch getanzt. »Es wäre kein Weihnachten ohne Tanzen«, sagte Olwen.
Mrs. Harp stellte Frasers iPod ab und schleppte einen uralt aussehenden Ghettoblaster herbei, brauchte eine Ewigkeit, um eine Kassette zurückzuspulen, und führte dann jeden, dernoch dazu imstande war, zu einer Runde Line Dance, bis sie sich vor Übermut und Aufgedrehtheit gegenseitig auf die Füße traten und sich lachend auf die verschiedenen Sessel und Sofas fallen ließen.
Dann war Fraser an der Reihe: Ermuntert von seinem Publikum (Mia vermutete, dass die alten Damen spontan Zuneigung zu ihm gefasst hatten) und einer Kassette mit Gesellschaftstänzen, die Mrs. Harp aufgestöbert hatte, übergab Fraser sein Glas Bristol Cream Sherry an Mrs. Durham, nahm Mia an der Hand und zog sie trotz ihrer Proteste auf die »Tanzfläche«, einen großen Teppich, um sie meisterhaft wie ein professioneller Salsa-Tänzer darauf herumzuführen.
Mia konnte es nicht glauben.
»Mein lieber Schwan! Wann hast du das gelernt?«, fragte sie, noch ganz schwindlig von dem mitreißenden Rhythmus, als Fraser sie auf die Wange küsste, um sich eine andere Partnerin zu holen.
»Salsa-Stunden, Baby«, meinte er und hob grinsend einen Finger hoch. »Calvin hat mir alles beigebracht, was ich wissen muss.«
Mia konnte nur dastehen und ihn anstarren, so verblüfft war sie. Und dies war derselbe Mann, der auf Melodys und Norms Hochzeit mit seinem Break-Dancing alle Teenager von der Tanzfläche vertrieben hatte, weil sie mit »so was« nicht in Verbindung gebracht werden wollten?
Mia stand an einer Seite des Raumes und applaudierte, als Strickjacken und Brillen abgelegt wurden, während Fraser eine alte Dame nach der anderen zum Tanzen holte und diese vor Entzücken förmlich kreischten.
»Und warum hat eine so hübsche junge Frau wie Sie keinen Ehemann dabei?«, rief eine der Damen Mia zu. »Und keine Kinder, um die sie sich kümmern muss? Als ich in Ihrem Alterwar, hatte ich drei, eins an jeder Brust!«, sagte sie, und alle brüllten vor Lachen.
»Wir haben noch ein paar gute Jahre vor uns«, hörte sie Mrs. Durham zu Olwen sagen. »Wir können es noch wie Ginger Rogers, wenn wir wollen. Da soll mal jemand versuchen, uns aufzuhalten!« Sie warf die Arme in die Luft, um zu beweisen, wie recht sie hatte.
Mia sah sich um. Wenn ihr vor einiger Zeit irgendjemand gesagt hätte, dass sie an ihrem neunundzwanzigsten Geburtstag in einem Rentnerinnen-Wohnzimmer und in Elfenpantoffeln Salsa tanzen würde und sich dabei auch noch großartig amüsieren würde, hätte sie ihn ausgelacht. Aber man kann sich die schönen Zeiten nicht aussuchen, dachte sie. Der Trick ist, sie zu nehmen, wie sie kommen. Sie brauchte nur Mrs. Durham anzusehen, um das zu erkennen. Vor wenigen Wochen noch war sie todunglücklich gewesen, bereit zu sterben, doch als sich ihr eine Chance geboten hatte, glücklich zu sein, hatte sie sie mit beiden Händen ergriffen.
Vielleicht sollte sie das Gleiche tun?
Sie setzten sich wieder, um das Spiel zu beenden. Reg spielte als Erster, dann Olwen, danach Fraser. Er landete mit Rejoin einen totalen Glückstreffer, der ihm vierundzwanzig Punkte einbrachte. Dann war Mia an der Reihe. Sie hatte ein paar wirklich blöde Buchstaben wie N und R, mit denen sie überhaupt nichts anzufangen wusste.
Doch dann fiel ihr ein Wort ein, das ihr zwar nicht viele Punkte einbringen würde, aber ansonsten geradezu perfekt war.
Sie schaute Fraser über ihre Spielsteine hinweg an.
»Ich glaube, jetzt werde ich meinen Moussaka-Moment haben«, sagte sie und legte einen nach dem anderen ihrer drei Buchstaben unter das O von Frasers Rejoin .
OVER stand jetzt dort. Vorbei .
Frasers Augen weiteten sich. »Ist das endgültig?«, fragte er.
»Ja«, sagte sie. »Unumstößlich.«
♥
Irgendwann, schon weit nach Mitternacht, gingen auch die letzten Nachzügler der Party, und nur Mia, Mrs. Durham und Fraser warteten noch auf ihr Taxi. Mrs. Durham war drinnen geblieben und plauderte mit Jean – irgendetwas über Eunice Perkins: »Sie hatte ein Scrabble-Brett mit pinkfarbenen Spielsteinen! Also so was …«
Fraser und Mia standen frierend und dicht nebeneinander auf der Veranda.
Fraser war der Erste, der das Schweigen brach.
»Ich habe mich heute Abend
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