Kleine Luegen erhalten die Liebe
verschlungen zu werden, dagegen eine völlig andere. Außerdem war auch Mia wieder Single, was unerwartet Sand ins Getriebe gestreut hatte. Fraser wurde das Gefühl nicht los, dass die Sache mit Emilia Verrat war – aber er wollte und brauchte sich nicht wie ein Verrätervorzukommen. Denn wen verriet er schon damit? Mia? Sich selbst? Liv? Verdammt, er wusste einfach nicht mehr, was er denken sollte!
Er nahm das Hemd, das er tragen würde – ein olivgrünes von French Connection, das Karen ihm gekauft hatte und das ihm sogar gefiel. Er legte es auf das Bügelbrett und fragte sich, was Karen wohl sagen würde, wenn sie ihn jetzt sehen könnte. Unwillkürlich dachte er an jenen Novemberabend, als sie auf ihrer Straße gestanden und ihm den klügsten Rat gegeben hatte, den er je von ihr erhalten hatte: »Spiel nicht nur mit ihr, okay? Das hast du mit mir getan, aber tu es bitte nicht bei ihr …
Misch dich nicht in ihr Leben ein, solange dein eigenes noch so chaotisch ist.«
Oh ja, und seht ihn euch jetzt an! Da war er im Begriff, zu einem Date mit einer dreiundzwanzigjährigen, eigentlich wildfremden Brasilianerin zu gehen. Er bezweifelte, dass es das war, was Karen gemeint hatte, als sie ihm geraten hatte, erst sein Leben zu ordnen und mit sich ins Reine zu kommen.
Aber andererseits handelte es sich hier um eine AUFGABE, und er konnte es nicht ändern, dass er es war, der mit einem exotischen Fremden schlafen aus dem Hut gezogen hatte, oder? Die Regeln waren die Regeln. Sie waren alle am Silvesterabend bei Mia gewesen (mit Ausnahme von Norm, der mit ein paar »neuen Freunden« bei der Metro Ski laufen gewesen war) und hatten einen Pakt geschlossen. Sie hatten gewissermaßen »ihre Gelübde erneuert«. Offensichtlich waren alle betrunken und gefühlsselig gewesen und hatten Liv wie verrückt vermisst, weil Silvester war. Jedenfalls hatten sie sich im Laufe des Abends erneut geschworen , mit der Liste weiterzumachen und sich weder durch Tod noch durch Teufel davon abhalten zu lassen.
Inzwischen war es Januar und nur noch zwei Monate biszu dem Tag, an dem Liv dreißig Jahre alt geworden wäre. Sie waren es ihr schuldig, wenigstens zu versuchen, ihre Aufgaben zu erfüllen, selbst wenn sie sich, wie in Frasers Fall, im Grunde nicht einmal sicher waren, warum sie sich noch darum bemühten.
Fraser nahm seine Brieftasche und zog das Foto von Liv heraus. Er lächelte sie an, und Liv in ihrem schrulligen kleinen Dienstmädchen-Outfit schien ihm zuzuzwinkern.
Das ist alles deine Schuld, weißt du? Du und deine geheimen sexuellen Fantasien von diesem Javier Soundso.
Blödmann.
Die hast du schön für dich behalten, was?
Und deshalb sah er sich jetzt gezwungen, gegen seinen Willen »eine Nacht berauschender Leidenschaft« mit einer exotischen Fremden zu verbringen und »unter Zitronenbäumen herumzuknutschen«. Er steckte das Foto wieder in die Brieftasche und besprühte sich großzügig mit Aftershave. Dabei fragte er sich, was in Lancaster Zitronenbäumen entsprechen könnte, die hier natürlich nicht wuchsen: sich in die hinterste Ecke von Brook’s Nightclub zu verkriechen und zwischen leeren Gläsern herumzuknutschen? Er erschauderte bei dem Gedanken.
Nein, er musste es nehmen wie ein Mann, wie ein echter, heißblütiger Mann. Er stellte das Radio lauter, als Kate Perry sang: »Ich küsste ein Mädchen, und ich mochte es …« Und er würde es auch mögen. Er würde es auf Teufel komm raus mögen, und wenn es ihn umbrachte. Ein Mann bekam schließlich nicht jeden Tag eine Gelegenheit wie diese. Fraser trat vor Melodys Spiegel, ließ das Handtuch fallen und betrachtete sich kritisch. Er sah nackt nicht schlecht aus. Gute Beine, sie könnten oben noch ein bisschen mehr Definition gebrauchen, doch es war erst der dritte Januar, also noch früh genug fürgute Vorsätze. Emilia würde keine hässlichen Überraschungen erleben – kein behaarter Rücken, keinen Bierbauch und dergleichen mehr. Er war nichts Spektakuläres, aber ein Mann, der sich in seiner Haut wohlfühlte. Während Kate Perry weitersang, öffnete Fraser eine Dose Bier und ließ sich dazu verleiten, seine Muskeln spielen zu lassen und sich aus der Taille hin und her zu drehen …
»Oh yeah, Pimmelvorführung der Supermänner«, sagte er laut. Es war ein Witz, den Norm und er als sechzehnjährige Jungs oft gemacht hatten, als sie sich aufgemacht hatten, über Mad -chester hereinzubrechen.
Dann hörte er Melody rufen: »Hast du Schwierigkeiten,
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