Kleine Luegen erhalten die Liebe
sich zermalmte? Ihr einen sogar noch absurderen und unglaublicheren Tod bescherte als Olivias? Und Mia kam auch der Gedanke, dass dieses Unternehmen sowieso reichlich absurd war: Aufzustehen, zu einem Flughafen zu fahren, ohne zu wissen, wohin die Reise führen würde, und nach Leeds zu fliegen – darauf hatten auch nur sie kommen können! Und jetzt lag sie in einem Hotelzimmer, sah ihren eigenen schaurigen Tod voraus und vermisste Billy – und das alles nur wegen Livs Liste!
Genau in diesem Moment klopfte es.
»Bist du nackt?«, ertönte an ihrer Tür die nasale Stimme, die an die von Kenneth Williams erinnerte.
Fraser, dachte Mia lächelnd.
»Nein, ich bin im Evaskostüm (sie beide hatten schon vor langer Zeit beschlossen, dass ›Evaskostüm‹ eines der lustigsten Worte war, das sie kannten), aber komm doch bitte trotzdem rein!«
Er öffnete die Tür einen Spalt und steckte den Kopf hindurch. »Was, kein Vorspiel? Du bist aber dreist.« Und obwohl Mia sich die größte Mühe gab, sich zusammenzunehmen, konnte sie nicht anders, als loszulachen.
Fraser kam herein und ging geradewegs zum Fenster weiter. »Gott, nun sieh dir bloß dein Zimmer an, du Glückspilz! Mit Ausblick auf den Kanal und ein Rad über dem Bett! Hast du dir dieses Ding mal genauer angesehen?«
»Eigentlich habe ich mir gerade sogar Sorgen gemacht, dass es heute Nacht herunterkrachen und mich unter sich zerquetschen könnte. Oder sauber in zwei Hälften teilen, sodassdu morgen ein Bein hier und eines auf dem Boden finden wirst.«
»Reizende Vorstellung!«, meinte Fraser. »Weißt du, manchmal sorge ich mich ein bisschen um deinen Verstand. Die verdrehten Gedanken, zu denen er imstande ist …«
»Ja, ich mag zwar blond sein und harmlos aussehen, doch tief im Innersten bin ich schwarz und verfault, verkrümmt und knotig wie ein alter Baum.«
Fraser lachte, setzte sich aufs Bett und stupste frech ihr Bein an. »Na ja, ich bin auch nur gekommen, um zu sehen, wie es dir geht. Du warst heute ein bisschen still. Ist alles in Ordnung?«
Mia zuckte mit den Schultern. »Klar ist alles in Ordnung.«
»Auch zwischen uns?«
Mia verdrehte die Augen. »Ja, auch zwischen uns.«
Fraser zupfte an einem Fädchen an der Bettdecke. »Gut, denn ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich – du weißt schon …«
»Nein. Was soll ich wissen, Fraser?«
»Dass ich es nicht getan habe?«, sagte er mit einem wenig überzeugenden Schulterzucken.
Mia stöhnte und drehte sich zu ihm herum. »Gib es auf, Fraser! Es ist nicht wichtig. Und es liegt auch schon zwei Monate zurück.«
»Sie war geradezu beängstigend, diese Frau. Sie trug einen ledernen BH und aß nur Fleisch.«
»Wow, das klingt nach Wilma Flintstone!«
»Genau das war sie! Sie war wie eine Steinzeitfrau: plump und ursprünglich wie … Grrrrr!«
»Wie was?« Mia lachte.
»Wie Grrrrr! Hat mich zu Tode erschreckt.«
Mia lächelte und zupfte an demselben Fädchen.
»Hast du mit dem Portugiesisch-Unterricht weitergemacht?«, fragte Fraser nach einem kurzen Schweigen.
»Bist du verrückt? So peinlich, wie mir alles war, konnte ich mich da nicht mehr blicken lassen.«
Er legte eine Hand auf Mias Bein. »Ich habe es vermisst, mit dir zu reden, weißt du?«
»Ich auch«, sagte sie. »Sehr sogar.« Gut, dass du nicht weißt, WIE sehr!, dachte sie.
»Wie läuft es übrigens mit dir und Billy?«
»Oh, gut! Wunderbar. Er ist derzeit der einzige Mann in meinem Leben, und so will ich es auch haben. Er ist sehr pflegeleicht. Billy mag es, sich eine CD mit Kinderliedern anzuhören, spazieren zu gehen, faul auf dem Sofa herumzuliegen … na ja, solche Dinge eben.«
»Bleibt er genauso gern mit einer DVD und einer guten Flasche Wein zu Hause, wie er ausgeht und um die Häuser zieht?«, spöttelte Fraser. »Ich vermisse ihn auch«, fügte er dann ernst hinzu, und für eine Sekunde wusste Mia nicht, wovon er sprach. »Ich habe unseren gemeinsamen Nachmittag geliebt, unser Pint und die Mini-Cheddar-Käsestangen im Pub.«
»Du hast ihm Cheddar-Käsestangen gegeben?«, fragte Mia. »Ich fasse es nicht! Davon hat er mir nie etwas erzählt.«
»Ich würde es gern wieder einmal tun, weißt du? Falls du glaubst, dass du mir je wieder vertrauen kannst.«
»Natürlich vertraue ich dir! Und Billy würde sich darüber freuen. Ich fände es schön. Sehr schön.«
Zurzeit war es wie eine Liebesgeschichte zwischen Mia und Billy. Obwohl er seinen Vater regelmäßig sah, worüber besonders Eduardo sehr
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