Kleine Luegen erhalten die Liebe
Durham scherzte neuerdings: »Siehst du diese Falten? Alle bezahlt, Mary! Das Leben ist ein kostbarer, auf mein Gesicht gestickter Gobelin.«
Es ist ein Privileg zu altern, dachte Mia, doch dieses Privileg war Liv genommen worden. Ihrem Leben war ein jähes Ende gesetzt worden, und die Liste war nur eine konkrete Erinnerung an ein zerstörtes Leben und unerfüllt gebliebene Träume.
Es war Mias Idee gewesen, für Liv zu tun, was ihr versagt geblieben war, und deshalb musste es auch Mias Vorschlag sein, damit aufzuhören.
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
Das Hauptgericht wurde serviert, seine Reste abgeräumt, und dann zog Norm einen Zettel aus der Tasche und entfaltete ihn.
»Also gut, welche Aufgaben haben wir noch zu erledigen? Denn ich bin mir sicher, dass die Liste zwanzig Aufgaben enthielt und wir noch nicht alle erfüllt haben.«
Widerstrebend nahm auch Mia ihre Kopie der Liste aus der Tasche. Alle stimmten darin überein, dass die folgenden Punkte noch unerledigt waren:
9. Heiße Küsse im Central Park.
»Tja, dazu wird’s wohl nicht mehr kommen, Andrew, was?«, sagte Melody. Sie war inzwischen reichlich angeheitert, und alle Versuche, einfühlsam zu sein, waren mit der letzten Flasche Wein verschwunden.
Zum Glück sah Norm die Sache mit Humor. »Ich bin mir sicher, dass wir uns an irgendeinem Punkt unserer Beziehung schon mal im Williamson’s Park heiß geküsst haben«, sagte er. »Oder im Thorpe-Park oder Abenteuerpark Chessington?«
Melody kicherte und legte kapitulierend den Kopf auf ihre Arme. Norm konnte sie immer noch zum Lachen bringen.
12. In Paris leben .
Das war Annas Aufgabe, und bisher hatten sie noch nichts über Paris gehört.
10. Die Chinesische Mauer besteigen.
»Kein Problem«, versicherte Norm ihnen. »Das werde ich diesen Sommer erledigen.«
Und alle brachen in begeisterte »Oh«- und »Ah«-Rufe aus, während sie ihn spöttisch ansahen, als wollten sie sagen: Na klar wirst du das, Norm.
14. Bei Sonnenaufgang nackt im Meer schwimmen .
(Oh Gott!) Mia hüstelte und blickte aus dem Fenster.
»Woodhouse!« Alle zeigten auf sie. »Du hast gesagt, du würdest das im Sommer tun!«
»In diesem Sommer«, wich sie aus. »In diesem Sommer werde ich nur noch nackt schwimmen. Jeden Tag. Versucht nur, mich daran zu hindern! Ich werde jeden Tag in Morecambe Bay sein«, scherzte sie.
Aber eigentlich ertrug sie es nicht länger, und sie wusste, dass sie etwas sagen musste.
»Nur mal so aus Interesse«, begann sie plötzlich. »Hat irgendeiner von euch schon mal eine solche Liste verfasst?«
Alle schauten sie mit verständnisloser Miene an.
»Eine dieser ›Die Dinge, die ich noch vor meinem dreißigsten Geburtstag tun will‹-Listen? Weil Fraser nämlich schon dreißig ist und wir anderen dieses Jahr noch dreißig werden.«
Als sie Fraser auf der anderen Seite des Tisches einen Blick zuwarf, hätte sie schwören können, dass seine Mundwinkel sich kräuselten.
»Nein, ich habe keine Liste verfasst«, antwortete er, ohne den Blick von Mia abzuwenden. »Und ich habe auch nicht vor, es je zu tun.« Er schaute sie so lange an, dass sie den Blick abwenden musste.
»Was ist mit dem Rest von euch?«, fragte sie.
Schweigen. Alle blickten einander fragend an.
»Ich hab noch nicht mal Zeit für eine komplette Einkaufsliste, ganz zu schweigen von irgendwelchen anderen«, meinte Melody.
Plötzlich hob Norm die Hand. »Also, ich hab eine«, verkündete er. »Ich habe eine Liste der Dinge, die ich tun will, bevor ich dreißig werde.«
»Davon hast du mir nichts erzählt«, warf Melody ein. »Aber du sagst mir ja ohnehin nie alles. Das habe ich längst gemerkt.«
Norm lachte schnaubend. »Was soll denn das schon wieder heißen?«
»Und was steht auf deiner Liste?«, mischte Fraser sich schnell ein. »Erzähl schon! Denn jetzt hast du mich neugierig gemacht.«
»Tauchen lernen«, antwortete Norm. »Den Song beenden, den wir zu schreiben begonnen haben, einmal als Stand-up-Comedian auftreten und noch viele andere Dinge …«
Mia lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. »Und, hast du irgendetwas von dieser Liste schon erfüllt? Ich meine, bei allem gebotenen Respekt, Norm, du wirst in sechs Monaten dreißig, und kannst du bisher irgendeinen der Punkte auf deiner Liste abhaken?«
Norm hüstelte. »Nun ja, ähm … bisher noch nicht.«
Mia leerte ihr Weinglas in einem Zug. Reden zu halten war eigentlich nicht ihr Ding, aber jetzt sah sie sich dazu gezwungen. Doch sie hatte
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