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Kleine Luegen erhalten die Liebe

Kleine Luegen erhalten die Liebe

Titel: Kleine Luegen erhalten die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katy Regan
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war.
    Fraser drückte Annas Hand und sah sich um. Irgendetwas sagte ihm, dass Menschen so etwas nicht zweimal in ihrem Leben durchmachen sollten. Dies tatsächlich zweimal zu erleben – die Ambulanz, die Sirenen, das rotierende Blaulicht – war mehr als genug für ein ganzes Leben.
    Er sah seine Freundin an: Sie wurde wegen einer leichten Rauchvergiftung behandelt, aber hier, an Ort und Stelle, sie musste nicht einmal ins Krankenhaus. Sekundenlang schnürte ihm der schreckliche Gedanke, wie anders es hätte kommen können, die Kehle zu. Doch dann überschwemmte ihn eine Welle der Dankbarkeit, die so groß war, dass Fraser sich abwenden musste, damit ihn niemand weinen sah.
    Anna war stockbetrunken – nie zuvor hatte Fraser sie so betrunken gesehen, denn die eitle, selbstbewusste Anna erlaubte sich das normalerweise nicht. Aber die Anna im Krankenwagen war ja auch nicht die eitle, selbstbewusste, die sie kannten, sondern eine sehr verängstigte auf dem Höhepunkt einer Krise. Auch wenn sie diese Krise vielleicht selbst erzeugt hatte.
    »Ich habe es gesehen«, sagte sie immer wieder. Sie weinte und zitterte dabei jedoch so heftig, dass anfangs keiner viel Notiz von ihren Worten nahm. »Ich habe euch gesehen«, wiederholte sie dann lauter und eindringlicher.
    Es war Fraser, der schließlich fragte: »Was hast du gesehen, Anna? Wen? Wovon redest du?«
    »Von dem Kuss. In der Nacht, als Liv starb, sah ich, wie du Mia küsstest. Ich stand auf dem Balkon und sah euch in der Küche.«
    Niemand sagte etwas, bis Norm das Wort ergriff. »Du hast was ?« Er klang, als wäre das, was sie behauptete, geradezu absurd.
    Fraser und Mia wechselten einen Blick.
    »Warum hast du nichts gesagt?«, wollte Fraser dann ruhig wissen.
    »Ja«, stimmte Mia zu, »warum hast du nichts gesagt?«
    »Weil ich es nicht konnte.« Anna schaute Fraser an. »Weil deine Freundin gerade gestorben war. Ich wollte nicht, dass du dich noch schlechter oder schuldbewusster fühltest. Ich weiß, dass ich manchmal nervig sein kann, aber so schlecht bin ich auch nicht, oder?«
    »Du bist überhaupt nicht ›schlecht‹«, erwiderte Fraser. »Wir lieben dich, du Dummkopf!«
    »Ich hatte schon ewig nicht mehr daran gedacht, weil ich viel zu durcheinander war«, fuhr sie fort. »Doch mit der Zeit war es dann so, als würde dieser Kuss, den ich gesehen hatte, zu einem Riesending in meinem Kopf. Mir war, als schleppte ich ein großes Geheimnis mit mir herum – ein Geheimnis, von dem Liv nichts gewusst hatte, als sie starb, und das ich ihr jetzt nie wieder erzählen konnte.«
    Mia barg den Kopf in den Händen. »Oh Gott, Anna, das tut mir leid!«
    »Ich versuchte, dich zu einem Geständnis zu bewegen«, fuhr Anna fort, und sah einen Moment so aus, als wollte sie lachen. »Ich habe Fraser sogar selbst geküsst, weil ich einen verrückten Moment lang annahm, er würde darauf eingehen. Ich dachte, dann könnte ich so tun, als hätte auch dieser Kuss auf Ibiza nichts bedeutet. Ich wollte mir einreden können, dass Fraser … ich weiß nicht … jede von uns küssen würde, wenn er nur betrunken genug war!«
    »Meine Güte! Danke …«, murmelte Fraser.
    »Aber das wisst ihr ja wahrscheinlich sowieso schon alle.«
    Die anderen wechselten einen Blick. »Oh, mein Gott«, murmelte Anna. »Du hast ihnen nichts erzählt, Fraser?«
    Er lächelte und schüttelte den Kopf.
    »Mich mit Buddhismus zu befassen war eine Hilfe, doch es war auch sehr schwer«, fuhr Anna fort. »Zumindest war Steve jemand, dem ich mich anvertrauen konnte, und so erzählte ich ihm alles. Steve kennt sich aus mit Karma …«
    »Steve ist ein verdammter Scharlatan«, rief Norm von draußen, und Fraser hätte ihn umarmen können. Norm brachte die Sache immer auf den Punkt. »Er ist kein Buddhist, sondern ein Bullshitist«, fügte er hinzu, und alle lachten, sogar Anna.
    »Vielleicht, aber er redete unentwegt über Karma«, fuhr Anna fort. »Wie darüber, dass alles im Leben sich früher oder später rächt, dass jeder irgendwann die Quittung für sein Verhalten bekommt und niemand mit Lügen ungestraft davonkommt. Und ich hörte ihm zu – ich war so durcheinander, dass ich jedem zugehört hätte –, und was er sagte, erschien mir sehr vernünftig. Aber ich wollte nicht, dass euch etwas zustößt; ich war wie gelähmt vor Angst, dass noch etwas Schlimmes passieren könnte. Deshalb versuchte ich, die Wahrheit aus euch herauszuholen. Ich glaubte, es Liv zu schulden, die Wahrheit ans Licht zu

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