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Kleine Luegen erhalten die Liebe

Kleine Luegen erhalten die Liebe

Titel: Kleine Luegen erhalten die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katy Regan
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wann zum Teufel hast du Anna geküsst?« Mia wollte gerade antworten, als plötzlich schlagartig alles zurückkam und ihr etwas dämmerte. Sie sah Fraser an, dessen Gesicht von der Dose Lager verdeckt war, aus der er gerade trank.
    Liv folgte Mias Blick.
    »Ach du meine Güte – du hast Anna geküsst?«, fragte sie lächelnd, doch es war ein merkwürdiges Lächeln – halb fasziniert, halb … Was verriet ihr Blick? Bestürzung? Mia mochte nicht allzu viel darüber nachdenken.
    Fraser hatte überall Bier verschüttet. »Was? Nein. Ich habe Anna nicht geküsst. Und auch niemand anderen von uns. Tut mir leid, aber ich habe nur mein Bier getrunken. Ist das erlaubt? Ich hab nur die Regeln vorübergehend vergessen.«
    Dann machten sie weiter, und die Frage verlor sich in Trunkenheit und frühmorgendlicher Konfusion, doch nun dachte Mia darüber nach, während sie Billy mit dem Obstbrei fütterte. Die Erinnerungen kamen zurück. Viele Dinge kamen nun zurück.
    ♥
    Fraser rührte sich und gab ein Geräusch von sich, das wie ein Grunzen klang – ein Versuch zu sprechen wahrscheinlich, und Mia musste lachen, weil Billy wie auf ein Stichwort hin das Gleiche tat.
    »Morgen, Fraser Morgan.« Sie war schon seit fünf Uhr fünfzig auf den Beinen, mit einem quengelnden Baby, aber Quengeln war ja auch mehr oder weniger Billys übliche Verhaltensweise. Mittlerweile war es neun Uhr morgens, und Mia fühlte sich, als hätte sie schon einen ganzen Tag durchlebt.
    »Was?« Fraser streckte den Kopf aus dem Schlafsack, verzogdas Gesicht und blickte mit zusammengekniffenen Augen und einem Ausdruck vollkommener Verwirrung in das Licht, das durch das Velux-Fenster hereinfiel.
    »Wie fühlst du dich?« Mia wich Billys pummeligen kleinen Händchen aus, die Reste des Obstpürees auf dem Tisch an seinem Kinderstuhl verschmierten. »Weil du nämlich furchtbar aussiehst, wenn ich die Wahrheit sagen soll.«
    »Ich habe nicht um die Wahrheit gebeten, aber trotzdem vielen Dank. Mir ist so elend, als wäre ich schon tot«, krächzte Fraser und stützte sich auf die Ellbogen auf. Eine kleine Pause entstand, bevor beide registrierten, was er gesagt hatte, und verlegen lachten.
    »Nun, ich kann dir versichern, dass du zumindest geschlafen hast wie ein Toter.« Mia drehte sich um und begann, Billy wieder zu füttern. »Du hast eine ganze CD-Staffel von In the Night Garden durchschlafen, einen telefonischen Streit mit Eduardo und einen Ausraster von Billy, der dir einen Zwieback an den Kopf geworfen hat. Aber nicht mal davon bist du aufgewacht.«
    Fraser lachte ein wenig und hustete – er hatte gestern Nacht geraucht und konnte es in seiner Lunge spüren –, zog den Schlafsack bis zum Kinn hoch und starrte ausdruckslos auf die kahlen Bäume, die dunkel, starr und wie eingefroren in der Zeit in der glitzernden weißen Winterlandschaft draußen standen.
    Und ich fühle mich wirklich elend, dachte Fraser, sterbenselend. Er erinnerte sich, dass es im Jahr zuvor an den Tagen nach Livs Geburtstag und dem Jahrestag ihres Todes nicht anders gewesen war.
    Die Jahrestage an sich waren nicht so schlimm; natürlich waren sie auch nicht gut, aber an den meisten von ihnen war er betrunken. Außerdem waren sie Anlässe, und wie alle Anlässe brachten sie eine Bedeutsamkeit und einen gewissen Grad anBesonderheit mit sich. Leute riefen an und machten viel Aufhebens um ihn, besonders Mia. An Livs erstem Todestag hatte sie praktisch jede Stunde angerufen, um sicherzugehen, dass er aufgestanden und angezogen war. Tatsächlich war er gegen Mittag schon im Bull bei seinem zweiten Bier gewesen, wo Karen sich geduldig sein Gefasel angehört hatte. Auch seine Eltern, Carol und Mike, hatten angerufen. Wahrscheinlich war dies das einzig Gute, das bei Livs Tod herausgekommen war: dass er seinen Eltern nähergekommen war. Bevor er Liv verloren hatte, hatte ihre Beziehung im Teenager-Modus festgesteckt, was bedeutete, dass Fraser ihnen nur das Allernotwendigste erzählte und sie auch nicht viel fragten, außer, wann er sich einen anständigen Job suchen würde wie sein Bruder. (Shaun Morgan leitete Top Financial Solutions. Wieso er nie mit einer »Spitzenlösung« für die finanziellen Probleme seines kleinen Bruders dahergekommen war, würde Fraser wahrscheinlich nie erfahren.)
    Fraser war ein pflichtbewusster Sohn, das heißt, er tat das absolute Minimum, indem er seine Eltern alle paar Monate in ihrem makellosen, einstigen Sozialwohnungsbau-Haus in Bury besuchte, wo er

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