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Kleine Luegen erhalten die Liebe

Kleine Luegen erhalten die Liebe

Titel: Kleine Luegen erhalten die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katy Regan
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auf der Uni war wahrscheinlich. Damals hatten sie immer bis spät in die Nacht in ihren Schlafsäcken geplaudert.
    Und mit wem redete sie heute? Mit dem NatWest-Schuldenmanagement (obwohl das genau genommen mehr Schreien war), mit Virgin Media und Ashley vom Sozialamt. Wahrscheinlich wusste Ashley vom Sozialamt sogar mehr über ihr Leben als ihre Freunde. Auf jeden Fall mehr als Mias Mutter. Nein, wenn sie es genau bedachte, redete sie derzeit eigentlich mit niemandem. Oder jedenfalls nicht richtig , sondern höchstens nur mal so zum Spaß. Heutzutage musste Reden immer einen Sinn und Zweck haben.
    Ihr kam plötzlich eine Erinnerung – das geschah jetzt immer öfter, als legte sich die bleierne Starre vom Beginn der Mutterschaft, und Klarheit kehrte nach und nach zurück und mit ihr Erinnerungen und Gefühle, von denen sie einige unterdrückthatte, und das nicht ohne Grund. Das V. Festival in Leeds 2000 – oder war es 2001 gewesen? Mia war nicht sicher, doch sie wusste, dass Coldplay Schlagzeilen gemacht hatte und dass Melody die Band als total öde abgetan hatte. Heute konnte Melody von Coldplay nicht genug bekommen.
    Mia schloss die Augen und erinnerte sich: Es war warm und wurde gerade hell – halb fünf Uhr morgens etwa –, und sie, Liv und Fraser waren als Einzige wach geblieben, hatten in ihren Schlafsäcken vor ihrem Zelt gesessen, leise geredet und Bier getrunken, während aus dem Zelt nebenan Norms rhythmisches Schnarchen kam.
    »Lass uns etwas spielen!«, sagte Liv urplötzlich. »Ich kenne ein fabelhaftes Spiel.«
    Mia und Fraser stöhnten: Liv kam immer wieder mit neuen, seltsamen Spielen und wunderlichen Ideen an. Einmal hatte sie versucht, Strip-Poker mit dem Kinderspiel »Mensch, ärgere dich nicht« zu kombinieren, und auf dem Brett kleine Männchen in Unterwäsche hin und her geschoben. Liv und Fraser liebten es, sich auszuziehen, wenn sie betrunken waren – es war eine der vielen Eigenschaften, die sie so perfekt füreinander machten. Während Mia … um Gottes willen, nein! Sie würde sich eher einen Arm abhacken, als sich ihren Freunden nackt zu zeigen. Und das war schon so gewesen, bevor sie ein Baby gehabt hatte.
    »Das Spiel nennt sich ›Ich hab noch nie …‹«, fuhr Liv fort. »Und es ist ein bisschen so wie das Wahrheitsspiel. Der Spieler, der an der Reihe ist, muss im Grunde nur etwas verraten, was er noch nie getan hat. Ich könnte zum Beispiel … na ja, Analsex sagen.«
    Fraser lachte, was in der stillen Morgendämmerung besonders laut klang. »Musst du immer so derb sein, Olivia?«
    »Falls du getan hast, was immer der Spieler sagt, der geradean der Reihe ist – in diesem Fall also, falls du Analsex hattest«, fuhr sie fort, ohne Fraser zu beachten, »musst du deinen Drink hinunterkippen, und dann bist du dran, und so weiter und so weiter.«
    Sie gingen das übliche Repertoire durch: »ich liebe dich« sagen, wenn man es nicht meint (das hatten alle schon getan); einen flotten Dreier – niemand hatte je einen gehabt, was irgendwie eine schwache Leistung war. Mia war enttäuscht, dass mit einundzwanzig noch keiner von ihnen dreien diesen etwas speziellen Ritus hinter sich gebracht hatte, aber dann tröstete sie sich mit dem Gedanken, dass die gute alte Anna mit Sicherheit schon mal diese Erfahrung gemacht hatte, wenn nicht sogar in ebendieser Nacht in ihrem Zelt.
    Dann war Mia an der Reihe: »Ich hab noch nie einen Promi geküsst«, worauf Fraser sein Glas auf ex leerte, weil Floella Benjamin, eine Freundin der Familie – was alle an und für sich schon ziemlich lachhaft fanden –, ihm einmal, als er acht war, auf einem Jahrmarkt einen Kuss auf die Wange gedrückt hatte. Natürlich waren alle drei sich einig, dass das nicht wirklich zählte.
    Es war schon hell geworden; ein rosiger Dunst hing über dem Feld und beleuchtete ihre Gesichter. Norms Schnarchen aus dem Zelt nahm an Lautstärke zu, als Liv sagte: »Ich hab noch nie … ein anderes Mitglied unserer Clique geküsst als Fraser.«
    »Was, nicht einmal Anna?«, entfuhr es Mia nahezu automatisch. »Alle haben Spanner schon geküsst.« Was die reine Wahrheit war. Sogar Mia hatte in ihrem ersten Jahr in Lancaster Annas Kuss erwidert, auf dem Höhepunkt ihres sehr flüchtigen Experiments als Lippenstift-Lesbe. Darauf war sie ziemlich stolz, wenn sie ehrlich sein sollte.
    »Nein, natürlich habe ich Anna nicht geküsst!«, sagte Liv empört und, wie Mia argwöhnte, auch ein ganz klein wenig eifersüchtig. »Und

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