Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kleine Luegen erhalten die Liebe

Kleine Luegen erhalten die Liebe

Titel: Kleine Luegen erhalten die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katy Regan
Vom Netzwerk:
eine dreitägige Sauftour eine sehr schlechte Idee war, doch er kann Liv einfach nicht aus seinem Kopf verbannen. Oder vielmehr sind es gewisse Bilder, die er nicht aus seinem Kopf verbannen kann. Fraser beugt sich über das Geländer, und ihm stockt der Atem, denn da ist sie wieder und liegt mit gebrochenen Gliedern und leeren Augen auf dem Boden. Er hat nie gewusst, ob er es selbst gesehen hat oder ob es ein Bild ist, das er aus dem Fernsehen hat und mit dem sein Hirn ihn quält. Aber früher erschien dieses Bild sehr oft vor seinen Augen, meist in den frühen Morgenstunden, und auch jetzt ist es wieder da, dieses entsetzliche, niederschmetternde Bild, das ihn ins Schwanken bringt und nach Atem ringen und aufschreien lässt. »Liv! Liv! Es tut mir so leid, Liv!«, ruft er, während unter ihm der Verkehr dahinbraust. Er umklammert das Geländer fester und kneift die Augen zu, um die Bilder aus seinem Bewusstsein zu verbannen. Und die Geräusche: die Sirene des Krankenwagens, der furchtbare raue Schrei, von dem er nicht weiß, ob er ihn gehört oder ihn sich eingebildet hat, dann die Walkie-Talkies der Polizei, der Reißverschluss eines Leichensacks, der zugezogen wird. Dann die Leichenhalle des Krankenhauses und derGeruch, der in seiner Kehle kratzt. Und schließlich, inmitten von alldem, der Kuss, der wunderbarste Kuss, den er je erlebt hat. Und trotzdem ist die Erinnerung daran ein Albtraum, weil Fraser heute keinen Zweifel mehr daran hegt, dass Liv ihn beobachtete.
    Und so komme ich endlich dazu, meinen Kuss zu beenden   …
    Sie stehen in der Küche des Ferienhauses und müssen schreien, um die Musik zu übertönen. One of these Mornings von Moby läuft, das weiß er noch genau, und sie drückt ihn an sich, während er in ihre schiefergrauen Augen schaut, deren Pupillen riesengroß und dunkel sind.
    Endlich bekomme ich doch meinen Kuss von Mia Woodhouse. Wir haben diesen Kuss nie beendet, nicht? Und wir haben beide nie gewusst, warum   …
    Fraser kann den Kuss jetzt spüren, die Eindringlichkeit darin und seine und ihre schnellen, flachen Atemzüge, als sie sich an ihn schmiegte und schier mit ihm verschmolz. Er will das Gefühl genießen, doch dann erinnert er sich an das Fenster, das offene Fenster der Küche des Ferienhauses, und an den Duft der riesigen rosa Blüten draußen. Sie waren überall auf Ibiza, und er hatte diese Blumen auch in Vegas gerochen, im Garten des Hotels und Casinos Venice , und fast musste er sich übergeben, weil er ihretwegen plötzlich wieder dort war, in dieser Küche auf Ibiza, wo er Mia küsste und aus dem Augenwinkel Liv auf dem Balkon sah, die mit großen Augen und offenem Mund dastand und ihn direkt ansah.
    Fraser zieht die Hände vom Geländer zurück, torkelt die Stufen hinunter und geht zu der rund um die Uhr geöffneten Bar, wo er Norm zurückgelassen hat oder vielmehr vor einer Stunde oder so verloren hat, weil sie beide zu betrunken waren, um zusammenzubleiben. Es ist schon Mittag, und sie haben bisher noch kein Auge zugetan.
    Langsam geht Fraser den Strip entlang. Dieser Ort ist keine Hilfe, denkt er, er verwirrt mich nur noch mehr: Wohin er blickt, sieht er den Eiffelturm, Venedig, Cäsars Palast oder weiß der Himmel, was. Überall scheint diese Art von Gebäuden aus dem blendend grellen Tageslicht aufzutauchen. Aber wir sind nicht in Paris, denkt er, und auch nicht in Italien! Das ist bescheuert! Er weiß nicht mehr, was noch real ist, doch er fischt sein Handy aus der Tasche und gibt eine Nummer ein.
    ♥
    In Harry’s Bar klingelt Mias Telefon in ihrer Handtasche. Sie durchwühlt sie rasch danach: Vielleicht ist es Anna, denkt sie, die kommt, um uns den Abend zu retten. Als sie Frasers Namen auf dem Display sieht, blickt sie sich jedoch schnell nach dem Eingang um und geht hinaus.
    »Fraser?« Sie hält sich ein Ohr zu, um den Lärm aus der Bar zu dämpfen, vernimmt jedoch nur Rauschen und das Brüllen des Verkehrs vom anderen Ende der Verbindung.
    »Fraser?«, sagt sie wieder. »Ist alles in Ordnung, Fraser?«
    »Ich hab’s versaut«, ist alles, was sie hört. »Versaut, Mia! Total versaut!«
    Sie schluckt, weil ihr plötzlich übel wird, und geht von der Bar zum Kanal und zu den flackernden Lichtern hinüber. »Was hast du versaut, Fraser? Wo bist du? Sprich mit mir!«
    Fraser schluchzt. Sie kann die Worte dazwischen kaum verstehen. Aber sie hört »Liv« und »Kuss« und weiß Bescheid.
    »Sie hat’s gesehen!«, sagt er. »Ich weiß, dass sie’s gesehen

Weitere Kostenlose Bücher