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Kleine Luegen erhalten die Liebe

Kleine Luegen erhalten die Liebe

Titel: Kleine Luegen erhalten die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katy Regan
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hinaus, wo sie sich mit einer dieser gekünstelten Umarmungen begrüßen, bei denen keiner den anderen berührt.
    Fraser tritt zurück. »Sind das echte Brillengläser?«, fragt er.
    »Natürlich nicht«, sagt Anna schulterzuckend. »Die sind nur gerade sehr in Mode. Schon mal was davon gehört, Fraser? Nein, wohl eher nicht.«
    Er nickt resigniert. Nach zehn Jahren ist er ihre gelegentliche spröde Art gewöhnt, besonders wenn sie sich ein bisschen dumm vorkommt – und ganz besonders, wenn sie sich verletzt fühlt. »Oh, verstehe. Dann trägst du sie also nur der Wirkung wegen? Um diesen intellektuellen Look zu unterstreichen, auf den du im Moment so stehst? Sie gefällt mir sogar, Anna«, sagt er mit einem etwas mutwilligen Lächeln und mustert sie von oben bis unten. »Sehr passend.«
    Anna verzieht beleidigt das Gesicht und wirft ihr Haar zurück. »Und du bist sehr ermüdend, Fraser.« Sie schubst ihn mit der Schulter auf den Eingang zu, und er schubst sie zurück. »Wirklich verdammt ermüdend, Mann …«
    ♥
    Da sie sich einen Ausweis besorgen müssen, um den Lesesaal benutzen zu können, warten sie zehn wirklich sehr ermüdende Minuten an der Anmeldung. Fraser versucht die frostige Atmosphäre zwischen ihnen zu ignorieren. Anscheinend hatte Anna ihm wohl doch noch nicht verziehen.
    Und so steht er in der Schlange vor der Anmeldung und starrt entnervt auf ihren Rücken. Bei all den anderen Mädchen hatte er stets gewusst, woran er war: bei Liv, bei Mia sowieso und, trotz einiger früherer Zusammenstöße zwischen ihnen, auch bei Melody. Zumindest machte sie niemandem etwas vor, war konsequent in ihrem Bestreben, mit ihren Nachbarn mitzuhalten, und versuchte gar nicht erst zu verhehlen, dass sie nahtlos vom Studentenleben zum mittleren Alter übergegangen war, Kirchenlieder mochte und Verkaufspartys für Haushaltsgeräte abhielt. Anna dagegen konnte viel unberechenbarer und hinterhältiger sein, ganz Draufgängertum und Abwehrhaltung, besonders heute. Fraser wird einfach nicht schlauaus ihr. Außerdem ist da irgendetwas an der Art, wie sie ihre Mähne rot gefärbten Haares toupiert hat, um es wie ein Vogelnest aussehen zu lassen, das »brandgefährlich« sagt. Und damit legt er sich nicht an, auf keinen Fall. Nein, er wird einfach nur damit fortfahren, sie ein bisschen aufzuziehen, weil das nun mal ihre Art zu sein scheint, miteinander umzugehen.
    Er beugt sich zu ihr vor und flüstert ihr zu: »Welche Gedichte kennst du außer dem über die Osterglocken?«
    Anna schüttelt den Kopf, wie um diese dumme Bemerkung abzuschütteln, und sieht sich um, um sicherzugehen, dass niemand zuhört. »Es heißt: Ich wandert’ einsam wie eine Wolke , auch wenn alle es das ›Narzissen-Gedicht‹ nennen, und ich kenne noch jede Menge mehr. Ich habe einen Abschluss in englischer Literatur gemacht, Fraser. Dabei habe ich Liv kennengelernt, oder hast du das schon vergessen? Wir hatten beide ›Englische Literatur des achtzehnten Jahrhunderts‹ als Spezialgebiet.«
    Für einen Moment aufrichtig beeindruckt, holt Fraser tief Luft und nickt ein paar Mal vor sich hin. »Na, dann sag schon, welche anderen Gedichte ich noch kennen sollte?«
    »Okay. The Prelude , das ist sehr berühmt. Davon hast du doch sicher schon gehört?«
    Fraser schiebt die Unterlippe vor. »Nein, aber es klingt, als wäre es ein guter Anfang.«
    Anna verdreht die Augen. »Dann wären da noch die Lyrical Ballads von Wordsworth und Samuel Taylor Coleridge, der auch The Rime of the Ancient Mariner schrieb …«
    »Schon gut, ich bin kein totaler Kulturbanause.«
    »Na ja, daran schrieben sie zusammen und veränderten das Erscheinungsbild der Englischen Poesie mit dieser Zusammenarbeit.«
    »Cool. Ist das ein bisschen so, wie Norm und ich das Gesicht der Musik verändert haben mit unserem gemeinsamen Album für die Fans?«
    »Ähm … nein«, sagt Anna. »Nicht wirklich.«
    Fraser ist ein bisschen verärgert über Annas Wichtigtuerei in dieser Sache. Okay, dann hat sie eben einen Abschluss in Englischer Literatur! Aber es ist ja nicht so, als hätte sie ihn je benutzt. Außerdem glaubt Fraser, sich zu erinnern, dass Liv sich beklagte, sie habe Anna bei ihrer Diplomarbeit über Wordsworth helfen müssen, ja, sie habe sie praktisch sogar halb geschrieben. Seit ihrem Abschluss hat Anna alle möglichen vorübergehenden Jobs gehabt: Marketing, Werbung, Eventmanagement. (Im Moment arbeitet sie in einem Modehaus und befasst sich nebenbei mit Buddhismus, was Fraser

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