Kleine Portionen
mitgebrachte Wurstbrote, trinken Bier oder Cola, rauchen und starren in die Seine. Wir beobachten einen schwarzhaarigen Burschen mit einer Baseballkappe. Er füllt das obere Ende einer kleinen Wasserpfeife mit klebrigem, arabischem Tabak. Achtlos zieht er einen braunen Brocken aus seiner Hosentasche. Er erhitzt den Brocken, reibt reichlich Brösel auf den Tabak. Schließlich zündet er ein Kohlenstück an, das eigens für Wasserpfeifen produziert wird, und inhaliert kräftig. Die ganze Zeit über hat er nebenbei mit seinen Freunden weiter geplaudert.
Als er ausatmet, steigt eine riesige, blau-graue Rauchwolke in die Luft und hängt dort einen Moment lang. Ein Windstoß aus dem Westen trägt sie stromaufwärts.
Der scharfe, viel versprechende Geruch von Haschisch schwebt an unseren Nasen vorbei. Dann ist er weg.
[1] »Hier sind wir, sitzen an diesem Fluss fest«
[2] »Hier sind wir, sitzen an diesem Fluss fest, du und ich unter einem Himmel, der fortwährend niederfällt, nieder, nieder, nieder …«
Sabine
Als ich im engen Korridor des Französisch-Instituts angekommen war und versuchte, durch die Menschenmenge zu den Inskriptionslisten vorzudringen, sah ich sie sofort. Sie hob sich wie ein Blutfleck von einem makellos weißen Tischtuch ab.
Zu Semesteranfang musste man sich immer in die Kurse, die man belegen wollte, einschreiben. Was die Französischkurse betraf, gab es mehrere Professoren. Manche Namen wurden nur mit Angst und Schrecken geflüstert. Andere hingegen waren sehr beliebt. Man musste zeitig aufstehen, lang bevor das Französisch-Institut geöffnet wurde, wollte man eine Chance haben, in diesen Kursen einen Platz zu finden. Da ich noch nie ein Morgenmensch war, musste ich mir den Weg ins Französisch-Institut jedes Semester regelrecht erkämpfen. Man sah es meinen Französisch-Kommilitoninnen, diesen ordentlichen und harmlosen, ernsten Mädchen in ihren weißen Rüschenblusen und halblangen, dunkelblauen Faltenröcken, gar nicht an, dass sie bereit waren, wie tollwütige Löwinnen zu kämpfen, um ihren Namen auf den bevorzugten Listen ganz oben einzutragen. Wir anderen konnten nur warten, bis diese Flut von Mamas Lieblingen von den Inskriptionslisten zurückschwappte. Uns blieben die letzten Plätze, die unbeliebten Lehrer über.
Auch diesmal kam ich viel zu spät ins Institut und hastete die Stiege zwei Stufen auf einmal hinauf. Und da war sie, beeindruckend inmitten dieser sauberen und ordentlichen Demoiselles. Sie war ziemlich dick, mit einem großen Busen, wellig-schockroten Haaren, einer schockroten Brille. Sie trug eine leuchtend rote, weite Bluse mit einem psychedelischen Blumenaufdruck und eine glänzende, schwarze, enge Hose. Ein Dutzend Ketten hing um ihren Hals. Als ich mich endlich den Listen näherte, stand sie direkt vor mir und schrieb gerade zwei Namen auf die Liste einer beliebten Professorin. Alle regulären Linien war regulär ausgefüllt, aber sie kritzelte dennoch die zwei Namen unter die letzte Zeile.
Das Mädchen neben ihr fuhr sie sofort an: »Das kannst du doch nicht machen! Du kannst doch nicht einfach hingehen und noch jemanden in eine volle Liste einschreiben!«
Das rothaarige Mädchen blitzte die andere stählern an und fragte mit rauer Stimme: »Sagt wer, Spatzl?«
Das erste Mädchen schnappte nach Luft. »Na, das darf man einfach nicht! Das verstößt gegen die Regeln!«
»Und du willst mich verraten?«, fragte die Rothaarige und stieß das andere Mädchen mit ihrem Busen an. Ihre Haltung war eine offene Drohung.
»Bist du ganz blöd, oder was? Das brauch‘ ich ja gar nicht! Du hast ja deinen Namen aufgeschrieben, du Gurke!«
»Du nennst mich eine dumme Gurke? Weißt du was? Geh scheißen, du Trampel!« Das rothaarige Mädchen sagte das alles in reinstem Hochdeutsch, nur eine Spur Wiener Akzent klang durch. Dann drehte sie sich um und sah, wie ich sie mit offenem Mund anstarrte. Ihr Gesicht verzog sich zu einem süßen Lächeln: » Dumartins Kurs – wär’ das was für dich? Sie ist die beste!«
»Äh – oh, ja, klar«, stammelte ich.
»Wie heißt du denn, Burschi?«, fragte sie.
Ich sagte ihr meinen Namen. Sie kritzelte ihn unter die beiden anderen, dann nahm sie meinen Arm und flüsterte: »Und jetzt nichts wie raus hier. Sonst lynchen die mich noch.«
Als wir draußen standen, fing sie an zu kichern. »Ich dachte, der Trampel kriegt einen Herzinfarkt! Ach übrigens, falls du mich auf einen Kaffee einladen willst, nur nicht schüchtern
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