Kleine Portionen
große Flasche Cola. Grégoire wurde aufgefordert, die Flasche Whiskey hervorzuholen, die wir in Houmt Souk gekauft hatten. Die Gläser wurden diskret unter dem Tisch gefüllt: vier Fünftel Whiskey und ein Fünftel Cola, letzteres eigentlich nur, um zu vertuschen, dass wir Alkohol tranken. Ich verstand jetzt auch, warum wir uns so weit weg vom Eingang und den anderen Tischen hingesetzt hatten. Niemand konnte uns in der Dunkelheit sehen. Außer dem Kellner, der prompt auch ein Glas für sich verlangte. Mich überraschte nur wenig, dass unsere Begleiter die Flasche in ein paar durstigen Zügen leerten. Was mich dann schon erstaunte, war die zielgerichtete Ernsthaftigkeit, mit der die Männer sich über den Alkohol hermachten.
Als unsere Pizzen fertig waren, fuhren wir zurück in unser Haus und setzten uns in die Küche. Salim viertelte und verteilte die Pizzen. Es schien nicht in Frage zu kommen, das Essen auch mit den Frauen zu teilen. Als ich fragte, was denn die Frauen essen werden, antwortete Salims Vater lächelnd: »Sie haben Hunger? Sie hätten ja nur ein Abendessen kochen brauchen …«
Schließlich war es Zeit, schlafen zu gehen. Wir kletterten aufs unvollendete Dach und legten uns auf Matratzen. Auch Salim und Ahmed schliefen bei uns. Als ich meine Augen schloss, spürte ich das Funkeln der sterngefüllten Nacht auf meinen Augenlidern, und der Ruf des Muezzin klang noch in meinen Ohren nach. Ich zitterte unter der dünnen Decke, die Kälte der späten Wüstenstunde prickelte auf meiner Haut.
Die Hochzeit in der Wüste
Von der Hochzeit bleibt eine Mischung aus Bildern, Geräuschen und Gerüchen zurück. Heulende Frauenstimmen und starke, schwere Weihrauchschwaden und der tiefe und hohle Klang der Darbuka, die schrille Zukra, das verlockende Oud und Applaus und Männer jubeln und Kinder schreien … Und die Hitze, die Hitze, diese unglaubliche Hitze …
Die Hochzeit fand am zweiten Tag statt. Die Sonne stieg schnell hinter den kahlen Bergen und Felsen in der Ferne empor und kündigte einen weiteren wolkenlosen, heißen Tag an. Meine Knochen schmerzten, als ich aufstand. Ich hatte die ganze sternklare Nacht zitternd auf der dünnen, harten Matratze gelegen; mir war so kalt gewesen, dass ich kaum glauben konnte, wie stark die ersten Sonnenstrahlen bereits waren. Wir durften uns schnell duschen. Dann fuhr Ahmed uns zum Haus der Braut, damit wir sie begrüßen und ihrer Familie gratulieren konnten.
Im Haus ihrer Eltern, ein paar Häuserblocks entfernt, wehte heißer Wind durch den Hauptraum. Die Fensterläden waren geschlossen, die Fenster allerdings offen. Mindestens dreißig Frauen kümmerten sich um das arme Mädchen. Sie saß in der Mitte des Raumes, umgeben von einem dicken Getümmel von Tanten und Cousinen, die gleichzeitig an ihren pechschwarzen Haarsträngen zerrten, Seidenschleier zurechtlegten, ihr Khol um die Augen schmierten, schwere Schmuckstücke an ihren Ohren, um den Hals und die Arme befestigten. Sie schwatzten unaufhörlich mit lauten, schrillen, aufgeregten Stimmen durcheinander. Ihre Armbänder klickten. Fiebrige Geschäftigkeit summte wie eine seltsame Hintergrundmusik durchs ganze Haus. Das Mädchen, siebzehn oder achtzehn Jahre alt, eine Cousine ihres zukünftigen Ehemanns, weinte inmitten des Trubels leise vor sich hin, scheinbar ausgeflippt, fast schon hysterisch. Nach einer Weile schlichen wir uns auf Zehenspitzen davon, um vor dem Haus eine Zigarette zu rauchen. Wir sogen Nikotin und staubige Hitze ein.
Wir sahen die Braut ein zweites Mal, bevor sie in eine riesige, schwarze Limousine geschupst wurde. Wir alle fuhren zum Haus ihres zukünftigen Ehemannes, wo der zweite Teil der Feier stattfand. Die ganze Familie hatte sich zusammen mit einem kleinen Orchester im Innenhof versammelt, alle schrien und kreischten und lachten, die Frauen heulten ihr seltsames, aber eindringliches »Ju-i-ju-i-ju-i-juiiiii!«. Dicke Weihrauchwolken durchwehten den überfüllten Hof. Die Männer: weiße Hemden, schwarze Hosen, Schnurrbärte, glänzend schwarze, nach hinten gegelte Haare, teure Uhren an den Handgelenken. Die Musiker in weißen Djellabas. Die Frauen: lange, kostbare Kleider, lose über gekräuseltes, tiefschwarz gefärbtes Haar drapierte Schleier, komplexe und komplizierte Muster mit Henna auf Handrücken, Fußrücken und Gesichter gemalt. Die Handflächen und Fußsohlen mit Henna schwarz gefärbt.
Nachdem wir die Braut abgeliefert hatten, lud uns der zukünftige Gemahl zum Essen ein.
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