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Kleine Portionen

Kleine Portionen

Titel: Kleine Portionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moitzi
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ist nicht überdurchschnittlich schön, aber er hat etwas, das mich den Kopf in seine Richtung drehen lässt. Ich blicke kurz zu Seb hinüber, der in der Nähe steht, und stelle fest, dass er den jungen Mann auch diskret ansieht.
    Der junge Mann hat einen wohlgeformten Körper, und er weiß das, weil er seine Muskeln mit der Kleidung, die er trägt, hervorhebt: ein kurzärmeliges, kariertes Hemd, vier Knöpfe sind offen, zeigt schwellende Bizeps und Brustmuskeln sowie einige Brusthaare; enge blaue Jeans, die zu seinen langen Beinen passen und an anderer Stelle auch eine viel versprechende Schwellung aufweisen. Der letzte Knopf des Hemds befindet sich ein Stück vom schwarzen Ledergürtel entfernt, und zwischen den beiden könnte immer wieder etwas Haut und vielleicht sogar eine Spur von der haarigen Liebeslinie durchblitzen, tut es aber nicht. Ich nehme an, dass ich eher ungeschickt auf meinem Métrositz hänge, um nur ja den erhofften Moment nicht zu verpassen, und unwillkürlich lächle ich. Wie alt muss ich eigentlich werden, damit ich mich nicht mehr wie ein geiler Jugendlicher aufführe?
    Ich sehe woanders hin, beobachte die Asiatin im beigen Kostüm mit den falschen Perlen um den Hals, die den neuesten Roman von Bret Easton Ellis in der französischen Übersetzung liest; sie runzelt die Stirn, die Lippen bewegen sich, als ob sie die Zeilen halblaut vor sich hin murmelte.
    Der Vater, die vier Kinder und der nette junge Mann steigen gleichzeitig bei Michel-Ange-Auteuil aus. Die U-Bahn kreischt laut, Cara Dillon beginnt zu singen »Black is the colour of my true love’s hair …«

Tataouine
     
    Tataouine, Tor zum traumähnlichen Nirgendwo und zur herrlichen Öde, eine von kahlen Hügeln und Steinwüsten umgebene Stadt. Wir kamen unter einem grausamen und lodernden Feuerball an, nachdem wir neunzig Kilometer durch trockenes, fast feindseliges Land gefahren waren. Die Farben, die unsere Reise begleitet hatten: blendendes Sonnenweiß, schmelzendes Asphaltschwarz, verblasstes Himmelblau, reiches Erdrot und schroffes Felsenocker. Die Gebäude der Stadt wackelten und schwankten in den Heißluftströmen. Schlichte und saubere, eckige Häuser aus weißem Stein, gekrönt von einem Wald aus Antennen und Parabolspiegeln auf weitgehend unfertigen Dächern. Fast unerträglich helles Tageslicht und pechschwarze, klar geschnittene Schatten wechselten einander ab; an und aus und an und aus … Männer in hellen Djellabas schlurften langsam die staubigen Straßen hinunter, ihre Köpfe waren mit lose gebunden Keffiehs bedeckt. Frauen mit dünnen, kostbaren Schleiern, die schlaff über ihre Haare hingen, trugen Körbe mit Lebensmitteln und zogen kleine Kinder mit der anderen Hand weiter.
    Das Haus, in dem wir untergebracht waren, entpuppte sich als ein relativ neues Gebäude, natürlich noch im Bau, weil Steuern fällig sind, sobald das Dach fertig gestellt ist. Der Pater Familias, in den späten Sechzigern, saß auf der schattigen Veranda und plauderte mit einem seiner Neffen. Er bat uns zu sich. Wir setzten uns auf die Steinbank und tranken ein Glas starken Pfefferminztees. Der Vater stellte uns seine anderen Kinder vor. Alles in allem hatte er sieben oder acht. Der jüngste war erst fünfzehn, eine blasser, blonder Junge mit blauen Augen und wankender Gesundheit.
    Das Haus glich einem Bienenstock, die Männeroase Veranda war der einzige Platz für faules Nichtstun. Die ganze Familie hatte sich zur Hochzeit eingefunden, Cousins und Neffen und Nichten und Geschwister und Schwiegereltern. Die Frauen waren in der Küche zugange und bereiteten jede Menge Süßwaren und einen enormen Couscous für den nächsten Tag zu. Der Geruch von Gewürzen und Zucker und Fleisch wehte durch das Haus.
    Am Nachmittag fuhren wir zum Hotel »Sangho Privilège«, einem Luxuskomplex, der wie ein Diamant in einer grünen und grasbewachsenen Schmuckschatulle lag. Der Blick über die Oase, in deren Mitte es errichtet war, machte uns sprachlos. Wir setzten uns in die Nähe des Swimmingpools und tranken Kaffee, und uns war heiß, und wir schwitzten stark. Ahmed prahlte mit den sommerlichen Temperaturen in Tataouine, und dass man Eier auf den Steinen kochen könne.
    Am Abend waren die Frauen zu erschöpft, um auch noch ein Abendmahl zuzubereiten. Deshalb fuhren die männlichen Familienmitglieder mit uns in ein Restaurant am Rande der Stadt, um Pizzen zu holen. Während wir auf das Essen warteten, setzten wir uns in eine dunkle Ecke und bestellten eine

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