Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
ihr nicht. Das war in der Nähe von Großmanns Villa zum Glück nicht nötig. In dieser Straße parkten keine Autos. Alle Anwohner hatten auf ihren Grundstücken Garagen, für jede ihrer Karossen eine. Wenn doch mal ein Fahrzeug hier abgestellt wurde, dann war es ein fremdes.
Sie stiegen aus und spazierten langsam den Fußweg entlang. Sie unterhielten sich, sahen sich gegenseitig an und gestikulierten. Sie waren nur mit sich selbst beschäftigt. Für die Umgebung hatten sie keinen Blick übrig. Diesen Eindruck musste jeder bekommen, der ihnen begegnete. In Wirklichkeit beobachteten sie alles ganz genau. Sie umrundeten das Anwesen Großmanns, das ein hoher gusseiserner Zaun mit gefährlichen Spitzen gegen jeden Eindringling verteidigte. Dieser Spaziergang brachte, wie zu erwarten, erst einmal nichts ein.
»Wann hat es das letzte Mal geregnet?«, wollte Gero plötzlich wissen. Marion überlegte eine Weile, dann sagte sie: »Muss wenigstens vier, fünf Tage her sein. Warum?«
»Der VW dort am Waldrand ist voller Dreckspritzer. Der sieht aus, als hätte er im Regen gestanden. Wenn seit drei oder vier Tagen die Sonne scheint, dann muss der seit vier oder fünf Tagen dort stehen. Richtig?«
Das leuchtete Marion ein.
»Na, dann sehen wir uns die Karre doch mal an.«
Gero marschierte direkt auf den VW zu. Marion wollte auf einem Umweg an das Auto gelangen, gewissermaßen zufällig, aber Gero meinte, der gehöre garantiert niemandem aus dieser Straße, denn hier fährt man keinen VW, schon gar keinen alten.
Sie gingen ungeniert einmal um das Auto herum. Außer einer Decke, die auf dem Beifahrersitz lag, war das Fahrzeug leer.
»Unter der Decke liegt etwas«, sagte Marion, »die ist so merkwürdig ausgebeult.«
Jetzt sah Gero es auch. Das konnte alles Mögliche sein. Er holte sein Handy aus der Manteltasche und wählte eine Nummer. Als der Angerufene sich meldete, nannte er seinen Namen, gab das Kennzeichen des Autos durch und fragte, auf wen der VW zugelassen sei. Nach einer Weile erfuhr er, was er vermutet hatte: Das Kennzeichen gab es gar nicht. Die Schilder an dem Auto waren gefälscht.
»Na«, sagte er, »dann sind wir ja regelrecht verpflichtet, mal in dieses Gefährt hineinzuschauen.«
Es dauerte keine halbe Minute, dann stand die Beifahrertür offen und Gero hatte unter der Decke auf dem Sitz einen modernen Spezialempfänger hervorgezogen.
»Reichweite dreihundert Meter«, murmelte er. »Wie weit ist es bis zur Villa?«
»Weniger«, antwortete Marion, »auf jeden Fall weniger als dreihundert Meter.«
»Den kennen wir doch«, sagte Gero und tippte auf das Gerät.
»Na klar, das Fabrikat verwenden wir doch auch. Also ist die Villa verwanzt, und das hier ist der Empfänger, der alles aufzeichnet, was dort im Hause geredet wird. Hören wir uns das Tonband doch mal an.«
Sie gingen zu ihrem Toyota hinüber, setzten sich hinein und ließen das Band laufen. Schritte waren zu hören, ein Telefongespräch mit nichtssagender Rede, jemand hustete. Im Hintergrund sang Marianne Rosenberg ihre Rivalin Marleen an, die nun endlich gehen sollte. Immer wieder dazwischen, das Gerät übersteuernd, Schreie wie in einem Zoo. Marion fragte Gero, ob das ein Papagei sein könnte, aber Gero wollte sich nicht festlegen.
Eine halbe Stunde lang hörten sie nur Geräusche, die sie zwar meistens zuordnen konnten, aber außer dem einen Telefongespräch war kein menschlicher Laut zu hören. Doch, einer: Aus dem Radio nuschelte Udo in perfektem Deutsch >Für den blauen Planäht ist äh< alles zu spät<.
Die Aufzeichnung verlangte Geduld. Dann endlich unterhielten sich zwei Männer. Den einen erkannte Marion eindeutig als Markus Großmann. Er redete den anderen mehrmals mit Heiko an. Das musste also sein Sohn sein. Die Stimmen waren mal besser, mal nur undeutlich zu verstehen. Offenbar gingen Vater und Sohn durch mehrere Räume, und der Empfänger schaltete automatisch auf diejenige Wanze um, die mit der größten Lautstärke sendete. Nur wenige Sätze konnten die beiden in dem Toyota vollständig verstehen, aber das war nicht so tragisch. Verschiedentlich hörten sie von einem Windkanal sprechen und von einem Segel. Dazwischen schrie immer wieder der Papagei. Ja, sie hatten sich geeinigt, das musste ein Papagei sein.
Gero stoppte das Tonband und überlegte. Er könnte sich hier verstecken und warten, bis jemand sich dem alten VW näherte und das Tonband austauschte. Doch dann musste er sich auf einige Tage Wartezeit einstellen. Hier
Weitere Kostenlose Bücher