Kleine Schiffe
sprechen, murmelt er: »Schön.« Anschließend holt er tief Luft und fragt ohne Umschweife: »Wieso machst du dir nichts aus Gärten? Da steckt doch mehr dahinter, oder?«
Das geht dich nichts an! , möchte ich am liebsten schreien und spüre, wie mir völlig unpassend Tränen in die Augen steigen. Aber ich schreie nicht. Ich schimpfe nicht. Ich wiegele nicht ab. Stattdessen lege ich die Hände auf meinen Willy-Bauch und erzähle diesem jungen fremden Mann die ganze Geschichte. Ohne ihm ins Gesicht zu schauen, mit dem Blick in den Hof, dem Stimmengemurmel von Lilli und Sophie und Elvis-Presley-Musik im Nebenzimmer. Mir tut der Hals weh, als würgte ich an einem zu großen Stück Brot, und in meinem Bauch scheint Willy Seil zu springen. Aber ich kann nicht aufhören. Ich erzähle vom frühen Tod meiner Mutter, von ihrer Liebe zu Pflanzen, davon, wie mein Vater den Garten niedermähte, als sie starb. Dann erzähle ich, wie Papa ihr Lieblingsgedicht auf der Beerdigung vorlas. Ich merke nicht, dass ich weine, bis Simon sanft seinen Arm um mich legt. »Hey, du«, sagt er und zieht mich kurz an sich. So wie man ein Kind tröstet.
Ich rücke ein wenig von ihm ab, um ein Taschentuch aus meiner Hose zu ziehen. Ich schneuze mich. »Bitte entschuldige – seit ich schwanger bin, habe ich sehr nahe am Wasser gebaut.«
Simon streichelt mir über den Arm. »Ist schon okay. Ist ja auch eine traurige Geschichte.«
Wieder ist es einen Moment lang still.
»Simon! Franzi! Was macht ihr eigentlich? Wir wollen uns einen Pudding kochen, habt ihr auch Lust auf was Süßes?« Das ist Lilli.
Simon ruft zurück: »Wir kommen gleich!«
Dann hören wir, wie die beiden die Treppe hinuntergehen und sich in der Küche zu schaffen machen.
Simon holt tief Luft. »Also mit den Dimmern, das geht klar, oder?« Ich nicke.
»Dann sehen wir uns schon nächste Woche wieder. Sehr schön!«, sagt Simon.
»Ruf vorher an, ob jemand im Haus ist. Ich gebe dir dann Geld für die Dimmer und das, was du sonst noch brauchst.«
»Das kriegen wir schon hin.« Er sagt noch einmal: »Kleine Schiffe, weiß und leicht erbaut. Das ist wirklich schön.«
»Ich habe das alles noch niemandem erzählt«, sage ich und kann nicht verhindern, dass meine Stimme zittert.
»Ich werde es keinem weitererzählen.« Er reckt sich, sieht sich noch einmal um und geht dann zur Tür. Ein vergnügtes Lächeln liegt auf seinem Gesicht. »Komm, Franziska, es sieht so aus, als ob wir es uns jetzt doch noch vor dem Kamin gemütlich machen.«
Als ich am nächsten Morgen den Müll hinaustrage, treffe ich auf dem Rückweg von den Containern meinen Vermieter, Herrn Pröllke – in seinem dunklen Anzug und mit Sonnenbrille, die er hier im schattigen Hinterhof eigentlich nicht benötigt.
»Hallo, Frau Funk! Na, wie gefällt es Ihnen in Ihrer neuen Behausung?«
So neu ist meine Behausung nicht mehr, aber natürlich lasse ich mich auf seinen jovialen Ton ein.
»Sehr gut, Herr Pröllke.«
»Dr.Pröllke!«
»Natürlich! Dr.Pröllke.« Du arroganter Kerl! »Ich denke gerade über die Gestaltung des Gartens nach«, flöte ich und gehe weiter in Richtung Haus. Pröllke bleibt an meiner Seite. »Ich begleite Sie noch ein Stück.« Er reibt sich die Hände. »Also den Garten wollen Sie gestalten. Sehr schön! Woran hatten Sie denn gedacht? Ich hoffe doch nicht, an einen Grillplatz?« Sein Gesicht verdüstert sich.
»Nein, nein. Für Rasensaat ist es ja zu spät. Ich dachte daran, ein paar Holzplanken auf das Erdreich zu legen, damit ich einen Platz für Tisch und Stühle gewinne. Vielleicht eine Vogelwanne. Nichts Aufwendiges.«
Insgeheim mache ich mir eine Notiz, mich für die sachdienlichen Hinweise zum Thema Gartenbau bei Simon zu bedanken, wenn ich ihn wiedersehe. Zunächst aber will ich vor allem in mein Haus und fort von Pröllke, Dr.Pröllke, dessen aufdringlicher Duft nach Eau de Toilette, Haargel und Schuhcreme mir unangenehm in die Nase steigt.
An dem niedrigen Gartentor, das mein Grundstück vom Hinterhof trennt, schütteln wir uns förmlich die Hände. Doch Pröllke geht immer noch nicht. Er sieht mich grinsend an und nimmt sogar seine Sonnenbrille ab. In seinem rosigen Gesicht leuchten babyblaue Schweinsäugelein. »Sie sehen sehr wohl aus, Frau Funk!«, stellt er mit dem Ton eines erfolgreichen Rinderzüchters fest. »Sie sind runder geworden. Tja, in solch einem Häuschen kommt man zur Ruhe, nicht wahr?« Ohne eine Antwort abzuwarten, fährt er fort: »Dass mit dem
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