Kleine Schiffe
fährt zornig herum und misst mich mit einem verächtlichen Blick. »Wie du lebst, geht mich nichts mehr an. Aber …« Er holt tief Luft.
»Mit wie vielen Leuten wohnst du da eigentlich? Wer ist diese durchgeknallte Küchenfee? Und worauf wartet die Rentner-Combo? Und jobbst du jetzt nebenbei noch als Tagesmutter? Mann, da bin ich zum ersten Mal mal wieder in Hamburg, freu mich auf einen gemütlichen Kaffee mit meiner Ex-Frau und gerate in das Picknick einer Großstadt-Kommune!« Seine Stimme ist sehr laut.
»Du hättest mich ja ruhig vorher anrufen können!« Seine Tirade weckt meinen Widerspruchsgeist. Was bildet er sich eigentlich ein? Nur, weil er sich das anders gedacht hat, kann er doch nicht einfach in mein Leben platzen und erwarten, dass die Welt, meine Welt, seinetwegen stillsteht! Fast tut er mir ein wenig leid. Denn ich kenne ihn ja. Meist ist ihm sein cholerisches Aufbrausen nach kurzer Zeit selbst sehr peinlich, und er entschuldigt sich – und zwar aus tiefstem Herzen. Aber noch ist er nicht so weit. Er reckt das Kinn mit einer Bewegung nach oben, die ich nur zu gut kenne. Für ihn ist das Gespräch beendet. Von oben herab informiert er mich: »Ich muss jetzt los! Bin sowieso schon spät dran!« Er wendet sich um und stürmt über den Hof. In der Einfahrt wird er fast von einem entgegenkommenden roten Lieferwagen überfahren.
»Passen Sie doch auf!«, schreit er die Fahrerin an, die so heftig auf die Bremse tritt, dass die Reifen quietschen. Und dann reagiert Andreas, wie ich es noch nie erlebt habe. Außer sich vor Wut tritt er gegen die Stoßstange – wie in einem amerikanischen Film: einmal, zweimal, dreimal. Dann schlägt er mit beiden Händen einmal auf die Kühlerhaube, bis die Fahrerin des Lieferwagens aussteigt. Es ist Sophie.
Andreas hält inne, dreht sich um, starrt mich an, greift sich an den Kopf wie jemand, der etwas nicht fassen kann, und läuft durch die Einfahrt davon.
Sophie blickt ihm mit offenem Mund hinterher. Sie steigt wieder ein und fährt auf unser Gartentor zu. Als sie aussteigt, stehe ich noch immer wie angewurzelt am Tor. Hinter mir tauchen jetzt nacheinander Simon mit Amélie und Papa auf. Sophie blickt noch einmal in die Richtung, in die Andreas verschwunden ist. Dann sieht sie auf Simons Handtuch und auf Papa, der wieder in seinem Rollkragen verschwunden ist.
Sie schüttelt den Kopf und sagt: »Also egal, welche Vorurteile man gegen späte Mütter hat – sie haben die interessantesten Männer am Start!«
Während die Unvermeidlichen mit Sophie das Holz abladen, versuchen wir das, was vom Frühstück noch übrig ist, zu retten.
Papa schenkt Kaffee nach und fragt mich dann: »Na? Was hat er gesagt?«
»Dass er eigentlich in Ruhe mit mir Tee trinken wollte und jetzt in ein Picknick einer Großstadt-Kommune geraten ist«, berichte ich kopfschüttelnd.
»Was für ein Penner!«, sagt Simon, der immer noch im Handtuch an der Küchenzeile lehnt.
»Zieh dir doch endlich mal was an«, rutscht es mir heraus. Simon sieht mich erst verwundert, dann verletzt an. Versöhnlich füge ich hinzu: »Deine Jeans ist auf dem Trockenständer im Badezimmer.«
Aber jetzt reicht es wohl auch Simon. Er blafft mich an: »Erstens kann ich so lange mit dem Handtuch herumlaufen, wie ich will! Oder auch nackt! Und zweitens: Nur weil dein Ex hier aufkreuzt und motzt, musst du noch lange nicht auf mir herumhacken!«
»Tu ich doch gar nicht«, antworte ich, obwohl ich genau weiß, dass er recht hat.
Papa sitzt verlegen am Tisch. Lilli verschwindet mit den Babys im Spielzimmer. Ich verstehe ihre Geste. »Wollen wir oben weiterreden?«, schlage ich Simon vor und versuche, ihn bei der Hand zu nehmen. Als hätte ich ihn mit heißem Wasser verbrüht, zieht er den Arm zurück und stößt hervor: »Nein, das halte ich für keine gute Idee.« Er sieht mich an. »Die beste Idee ist wohl, dass ich mich anziehe!« Er läuft mit großen Schritten die Treppe hinauf.
Ich gucke Papa ratlos an. »Was ist denn nur los mit ihm?«
Papa legt den Kopf schief, fummelt an seinem Rollkragen und zuckt mit den Achseln.
Es klingelt an der Tür. Andreas? Ich renne durch den Korridor. Doch es sind nur Lucia und ihre Brüder, die verlegen mein Outfit mustern. »Sind wir zu früh?«
Himmel, ich habe die Nachhilfe für die Pepovic-Kinder vergessen! »Nein, nein«, beeile ich mich zu sagen. »Ich bin zu spät. Herein mit euch!«
Als ich nach oben komme, knöpft Simon gerade sein Hemd zu.
»Ich muss mich auch
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