Kleine Suenden zum Dessert
ausgerechnet sie in diese unmögliche Lage geraten können? Und war diese Lage nicht geradezu ein Lebenselixier?
»Wo könnte ich einen finden?«, fragte Natalie neben ihr.
»Einen was?«
»Einen Jungen.«
»Du willst einen Jungen?«
»Ja. Hat Adam Freunde, die sich vielleicht für mich interessieren würden?«
»Natalie ...«
»Natürlich nach der Geburt, und erst, wenn ich abgenommen habe. So, wie ich jetzt aussehe, könnte sich niemand für mich erwärmen, das ist mir klar. Rosie«, sagte sie, den Blick im Rückspiegel. »Iss die Banane oder leg sie weg!«
»Du willst doch nicht wirklich einen Jungen, Natalie«, sagte Grace.
Ihre Freundin beugte sich so weit vor, dass ihr Bauch fast das Lenkrad zerdrückte, und schaute sie mit hochrotem Gesicht wütend an. »Und ob ich das will! Warum sollst nur du Spaß haben? Findest du, ich verdiene keinen Jungen, oder was?«
»Das finde ich überhaupt nicht.«
»Paul hat unseren Hochzeitstag vergessen«, platzte Natalie heraus.
»Oh.«
»Wir sind sieben Jahre verheiratet und haben bald zwei Kinder miteinander, und er vergisst den Hochzeitstag!« Sie schluchzte auf. »Ich weiß, das ist kein großes Drama, aber es ist die Summe der vielen kleinen Dinge, die mich so traurig macht - und die eine Ehe schließlich ruiniert.«
Rosie holte aus und warf ein Stück Banane nach vorne. Es traf Natalie am Hinterkopf und blieb einen Moment an ihren Haaren kleben, bevor es langsam abwärts rutschte. Sie ließ es kommentarlos geschehen. »Manchmal, wenn ich ihn ansehe, wird mir bewusst, wie gut ich ihn kenne, und dann ertrage ich ihn kaum. Die Form seiner Ohren und die Art, wie er sich am Telefon meldet, und wie sein Atem morgens riecht. Ich bekomme ein zweites Kind von ihm, und heute früh hätte ich ihm am liebsten die Bratpfanne über den Schädel gezogen. Stell dir das vor!« Rosie hatte aufgehört, Bananenstücke zu werfen, und hörte interessiert zu.
»Vielleicht sollte ich mir wirklich einen Liebhaber suchen!«, fuhr Natalie fort. »Und es Paul sagen. Vielleicht würde er mich dann endlich als eigenständiges Wesen wahrnehmen und nicht nur als die Leibeigene, die das Essen kocht, einen Vollzeitjob bewältigt und seine Kinder zur Welt bringt. Vielleicht sollte ich wirklich anfangen, einen anderen zu ficken.«
»Ficken!«, jubelte Rosie.
Grace wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte Natalie nicht ermutigen wollen. »Ich glaube nicht, dass man das als Therapie sehen kann ...«
»Warum nicht, zum Teufel? Es wäre wie eine Vitaminkur. Oder eine Darmreinigung oder so was. Ich meine - sieh doch dich an! Bei dir hat es wahre Wunder gewirkt, Grace.«
»Abgesehen von meinen verfilzten Haaren und den zu langen Nägeln?«, konnte Grace nicht widerstehen zu erwidern.
»Schon gut, geschenkt«, sagte Natalie unwirsch. »Ich rede davon, dass es dich weicher gemacht hat. Zum Guten verändert. Du warst immer so ein Gewissenhaftigkeitsfreak.«
»Ein Gewissenhaftigkeitsfreak?«, echote Grace.
Wie üblich merkte Natalie nicht, was sie anrichtete, sondern plapperte ungerührt weiter. »Das sagen wir in der Firma immer. Schau dir nur deinen Schreibtisch an, um Himmels willen! Da liegt nie eine Büroklammer rum. Und du stellst immer einen Arbeitsplan für die Woche auf, wie die Geschäftsleitung es vorschreibt, und hältst dich auch tatsächlich daran. Um ehrlich zu sein - wir finden dich streckenweise zum Kotzen.«
Grace versuchte zu lachen, aber sie war verletzt. Natalie stellte sie wie ein Tugendlamm hin, und das nur, weil sie ihre Sachen in Ordnung hielt und ihre Pflichten ernst nahm. Nur weil sie ihr Leben durchorganisierte. Eine berufstätige Frau mit zwei Kindern musste ihr Leben durchorganisieren. Wenn sie es nicht täte ... Sie versuchte, sich gravierende Folgen vorzustellen. Dann würde es einfach nicht getan, dachte sie lahm. Die Welt würde sich weiterdrehen und auch sonst gäbe es keine Katastrophen. Das hatte sie sich nie klar gemacht.
Natalie schwante endlich, dass sie in einem Fettnäpfchen stand. »Einige von uns beneiden dich natürlich auch«, setzte sie eilends hinzu. »Und ich bin sicher, dass deine Jungs dich schätzen.«
»Ewan ist kein Junge«, sagte Grace in scharfem Ton. »Warum besteht alle Welt darauf, ihn als Jungen zu bezeichnen? Er ist kein Junge. Er ist ein erwachsener Mann, und es wäre schön, wenn ihr alle das endlich begreifen würdet.«
Natalie schaute sie verdutzt an. »Ich hatte nicht von Ewan gesprochen. Ich meinte Jamie und
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