Kleine Suenden zum Dessert
er ernst hinzu. »Die hat auch Leidenschaft in sich.«
In seinen Augen loderte ein regelrechtes Feuer. Im Zusammenspiel mit seinen Dreadlocks und den Bartstoppeln erinnerte er vage an den jungen Jesus Christus. »Ich habe keine Zeit mehr«, erklärte er. »Mein Plan - du verstehst...«
»Eine Minute noch«, bat sie. »Ich muss dir was sagen, Adam.«
»Ich weiß es schon.«
»Du weißt es schon? Wie denn das?«
»Ganz einfach: Du bist hier.«
Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er damit sagen wollte.
»Nein, nein, nein!«, widersprach sie heftig. »Ich meine natürlich bin ich hier ... oh Adam, ich weiß nicht, wie ich es formulieren soll...«
»Spuck‘s aus, Grace - Joey wartet auf mich.«
»Okay. Also ...«
Über seine Schulter hinweg sah sie Ewan aufstehen und nach ihr Ausschau halten. Sie duckte sich. »Was tust du da?«, fragte Adam irritiert. »Nichts.« Durch eine Lücke in der Menge erkannte sie, dass Ewan sich umdrehte und in die andere Richtung schaute.
»Ich hab ihn!« Sie richtete sich auf und hielt einen staubigen Schuh hoch. Offenbar hatte die Trägerin es nicht bemerkt, als sie ihn verlor.
Adam schaute sie mit feurigen Augen an. »Ich weiß, dass du genau so empfindest wie ich, Grace. Du wolltest es bloß nicht wahrhaben - und das ist okay. Wichtig ist nur, dass du es dir endlich eingestanden hast. Wichtig ist nur, dass wir zusammenbleiben werden.«
Sie drückte den fremden Schuh an ihre Brust wie einen Schild und hielt Adams Blick fest. »Adam. Es fällt mir nicht leicht, es dir zu sagen.«
Er musste ahnen, was ihn erwartete, denn er sprach plötzlich sehr schnell. »Dann sag es nicht! Zerrede es nicht! Lass nur dein Gefühl sprechen, Grace. Ich habe es getan, und ich weiß, dass wir füreinander bestimmt sind.« Es klang, als hätte er den Text irgendwo entliehen. Vielleicht aus einem Buch. Auf jeden Fall waren es nicht seine eigenen Worte, denn so drückte er sich nicht aus, und plötzlich fragte sie sich, ob er sich das Gefühl auch irgendwo geliehen hatte. Denn das Ganze erschien ihr ... nein, nicht unehrlich, sondern unwirklich. Es war, als sehe er sie beide als die romantischen Hauptpersonen in einem Kitschroman und dass sie ihren Mann und ihre Kinder auf einem Rockfestival ihm zuliebe in die Wüste schickte, als logische Schlussfolgerung aus ihrer verzehrenden Leidenschaft für ihn. Jetzt müsste nur sein T-Shirt an einer Schulter zerrissen sein und den Blick auf seine sonnengebräunte Haut freigeben, und sie müsste den streng riechenden Schuh in hohem Bogen wegschleudern und sich in seine Arme werfen.
Plötzlich erkannte sie, wie ähnlich sie einander waren, sie und Adam: Für sie beide hatte sich das reale Leben als Enttäuschung erwiesen.
»Ich gehe nicht mit dir nach Tasmanien, Adam«, fasste sie sich endlich ein Herz. »Und ich werde auch nicht in einem Cottage irgendwo an der irischen Küste darauf warten, dass du mich besuchst, wenn du die Zeit dafür erübrigen kannst.« Er begriff offensichtlich, wie unvernünftig dieses Ansinnen von ihm gewesen war, denn er sagte nichts dazu. »Dieser Sommer mit dir war ... vollkommen. Zauberhaft. Ich werde ihn nie vergessen.«
»Du könntest noch viele solche Sommer erleben«, erwiderte er, doch es klang lahm.
»Ach, Adam! Versteh doch, dass es zu Ende sein muss! Ich habe zwei Kinder, und du hast ein politisches Anliegen. Diese beiden Faktoren lassen sich nicht unter einen Hut bringen. Bitte belassen wir es doch dabei - hier und jetzt. Verderben wir nicht am Ende, was wir hatten.« Vielleicht hätte es geklappt. Vielleicht hätten sie sich ein letztes Mal umarmt, ein paar Tränen vergossen und sich dann mit ihren Erinnerungen in der Menge verloren wenn nicht, ja, wenn nicht Martine Adam entdeckt und über die Köpfe der Leute hinweg gebellt hätte: »Du faule Sau!«
Adam wirbelte kriegerisch herum, und Grace überlegte fieberhaft, wie sie diese Krise abwenden könnte.
»Sie meint nicht dich«, log sie. Ewan und die Jungs schauten zur Bühne hinunter, sah sie. Gottlob bekamen sie nicht mit, was sich hier abspielte. »Nein, sie schreit mich an. Und ich bin tatsächlich manchmal faul, das gebe ich zu ...«
Doch Adam hatte Martine bereits den Mittelfinger gezeigt, was ihre Wut noch vergrößerte.
»Leck mich!«, schrie sie und kam mit großen Schritten den Hang herunter.
Und dann, oh, Entsetzen, wurde Amanda aufmerksam und drehte sich zu ihnen um.
»Grace!« Sie winkte.
Grace winkte notgedrungen zurück.
Es
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