Kleine Suenden zum Dessert
fettfreiem, zuckerarm glasiertem Kuchen in den Mund und lobte: »Er schmeckt absolut wundervoll, Gillian.«
Taktlos wie immer versäumte Michael es, in dieses Lob einzustimmen, und sagte stattdessen: »Wir haben noch ein letztes Geschenk für dich, Mammy.«
Das Ausmaß seiner Großzügigkeit war ihr peinlich. Er hatte sich doch noch nie in solche Unkosten gestürzt. Oder hatte sie es nur nie bemerkt? »Ich habe doch schon so viel bekommen.«
»Das waren nur Kleinigkeiten.« Er schaute seine Frau an, und sie bekundete mit einem verkniffenen Lächeln ihre Zustimmung, worauf er eine kleine, hübsch verpackte Schachtel aus der Tasche zog und sie mit einem drängenden: »Los, Mammy! Mach sie auf!« überreichte. Julia wurde plötzlich bewusst, dass Spannung in der Luft lag. Drei Augenpaare verfolgten jede ihrer Bewegungen: Michaels voller Vorfreude, Susans ohne Begeisterung und Gillians ...? Sie lächelte zwar immer noch, aber da war auch etwas anderes. Ein Anflug von Märtyrertum, dachte Julia.
Sie öffnete die Schachtel. »Ein Schlüssel«, stellte sie überrascht fest.
»Ja.« Michael war inzwischen kurz vor dem Platzen. »Du hast mir doch keinen ... Wagen gekauft, oder?«, fragte Julia entsetzt. Guter Gott - sie wollten sie hoffentlich in ihrem Alter nicht etwa zwingen, Auto zu fahren!? Michael lachte. »Nein, Mammy. Das ist kein Schlüssel für ein Auto.«
Julia drehte ihn hin und her. Es war ein ganz einfacher Schlüssel aus rostfreiem Stahl.
»Schau nicht so besorgt, Julia«, sagte Gilian mit einem schrillen, kleinen Lachen. »Er ist nicht für die Eingangstür einer Irrenanstalt.«
Ohhh. Sie hatte die Samthandschuhe ausgezogen. »Dann hat Dr. Bradley mich also für gesund erklärt?«, folgerte Julia. Sie hatte gestern einen Termin bei ihm gehabt. Er war ein sehr netter Mann, ein Bridgefan, wie sie erfuhr. Er hatte einen Hund namens Mopp und vier Enkel, und er war letztes Jahr im Urlaub auf Kreta gewesen. Julia hatte in zehn Minuten viel mehr über ihn erfahren, als er ihr im Lauf von zwei Stunden entlocken konnte.
»Er hat kein Wort über dich gesagt. Ärztliche Schweigepflicht«, versicherte Michael ihr. »Aber wenigstens bleibt dir eine Anzeige erspart.« Julia schnaubte verächtlich.
»Willst du nicht wissen, wofür dieser Schlüssel ist?«, fragte er.
Um die Wahrheit zu sagen - das Ganze hatte seinen Reiz verloren. Eigentlich wollte sie nur noch ihr Nachmittagsschläfchen machen. »Nun sag‘s mir schon.«
»Es ist der Schlüssel zu einer Haustür«, sagte Michael, offenbar entschlossen, es immer noch spannend zu machen.
»Zu wessen Haustür?«
»Deiner. Nun ja - zu deinem neuen Heim.«
Ihr Geduldsfaden riss, und sie fuhr ihren Sohn an: »Wovon redest du, um Himmels willen, Michael?«
Michael schaute Gillian an, die Susan anschaute, und dann schauten sie alle drei sie an.
»Wir bauen die Garage zu einer Granny-Wohnung um, Mammy!«, ließ Michael die Bombe platzen. »Wir möchten, dass du bei uns wohnst!«
»Ich rufe an, um mich nach Mrs Carr zu erkundigen.«
»Sind Sie eine Angehörige?«, kam die Standardfrage.
»Nein - und ich weiß, dass Sie nur Angehörigen Informationen geben dürfen. Ich möchte lediglich wissen, ob sie am Freitag entlassen wird.«
»Tut mir Leid - wird dürfen nur Angehörigen Informationen geben.«
»Ja, das weiß ich wie gesagt ... Hören Sie, kann ich vielleicht mit ihr sprechen - am Telefon, meine ich?«
»Ihr Sohn ist im Moment bei ihr. Möchten Sie mit ihm sprechen?«
»Ah... nein, danke.«
Frustriert legte Grace auf und kehrte zu ihren Essensvorbereitungen zurück, obwohl sie gar nicht wusste, ob Adam überhaupt auftauchen würde. Er war schon den ganzen Nachmittag verschwunden. Nicht, dass sie das interessierte. Doch, das tat es. Sie hatte bereits in seinem Zimmer nachgesehen, ob seine Sachen noch da waren. Sie waren es, und das erfüllte sie aus mehreren Gründen mit Erleichterung.
Um acht stand sie im Speisezimmer und ließ den Blick über den Tisch wandern. Es war ihr als ein wenig zu familiär erschienen, ihn in der Küche zu bewirten, und so hatte sie den großen Esstisch abgestaubt, ein weißes Baumwolltischtuch aufgelegt und auf zwei gegenüberliegenden Plätzen mit Mrs Carrs Familiensilber gedeckt. Schließlich würde sie nicht wie ein Dienstbote erst hinterher essen. Um das Bild zu vervollständigen, erschien es ihr angebracht, eine Kerze hinzustellen und eine Vase mit frischen Blumen aus dem Garten.
Plötzlich kam ihr die Kerze übertrieben
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