Kleiner Hund und große Liebe
Wand pinnen konnte.
„Kinder, ihr verhungert bald“, rief Jessica. „Ich muß mich ums Essen kümmern!“
Also zurück ins Haus. Im Flur traf Jessica beinahe der Schlag. Der Fußboden war mit halbzerkautem Papier bedeckt, von dem Fleisch war überhaupt nichts mehr zu sehen - und im Hundekörbchen lagen Anton und Bisken in glücklichem Schlaf mit verdächtig prallen Bäuchen!
Daran war Mama schuld! Als sie anrief, hatte ich das Fleischpaket auf den Hocker neben dem Telefon gelegt und es nachher vergessen!
„Was gibt es nun zu Mittag, Jessica?“ wollte Marcus wissen.
„Spiegeleier und Bratkartoffeln“, antwortete Jessica verbissen.
„Und Zitronenpudding!“ strahlte Marcus.
Eine neue Freundin
Die Eltern waren in zwei vollbepackten Autos zurückgekommen. Es gab ein Auspacken, ein Umräumen, Ausräumen und Einräumen, daß einem schwindlig werden konnte!
„Die Truhe können wir doch in den Flur stellen, Bernadette!“ „Wo denkst du hin, da steht doch der Schrank! Nein, im Wohnzimmer unter dem Fenster.“
„Dann müssen wir den Schaukelstuhl rausschmeißen! Und wohin mit dem kleinen Hängeschrank?“
„Ins Eßzimmer, da ist doch bestimmt Platz genug - warte mal, ich werde ausmessen. Ach, Asbjörn, glaubst du, daß du im Keller noch ein Wandbord befestigen kannst, ich habe so viele Einmachgläser!“
„Elaine, wenn du dein Bett etwas rückst, hättest du vielleicht in deinem Zimmer Platz für den kleinen runden Tisch. Ja, er muß raus, damit wir den Plattenschrank unterbringen können!“
Es war ein gräßliches Durcheinander. Aber allmählich trat eine gewisse Ordnung ein; mit Mühe und Überlegung schafften wir es, die Sachen aus der Frankfurter Wohnung unterzubringen. Die großen Möbel waren in einem Lagerraum in Frankfurt, aber es gab so allerlei an kleineren Sachen, die wir brauchten, jetzt, da wir ständig hier wohnen sollten.
„Ich bin müde wie ein Kuli“, verkündete Mama endlich und sank in den Schaukelstuhl, der doch im Wohnzimmer geblieben war.
„Jetzt hätte Miriam hier sein sollen“, sagte Jessica, die tatkräftig mitgeholfen hatte. „Sie könnte euch eine ganze Menge ab nehmen, sie ist so praktisch.“
„Wie kommt es, daß du so viel über sie weißt?“ fragte ich. „Ich meine, nicht nur über ihre seelischen Probleme, sondern daß sie praktisch und ordentlich und so was ist.“
„Ich habe doch mit ihrer Mutter gesprochen!“ sagte Jessica. „Ich war ein paarmal da, und die Mutter erzählte, daß es Miriam ist, die die Wohnung blitzblank hält, sie wäscht und putzt und räumt auf. Und sie tut es gern! Um so mehr, da sie Zeit hat, weil sie - leider -die Schule nicht mehr besucht. Übrigens, als ich der Mutter gegenüber erwähnte, daß ich eine liebe und nette Familie kenne, die Miriam vielleicht aufnehmen wollte, gab ich ihr den Eindruck, daß die besagte Familie eine Haustochter, eine Haushaltshilfe brauchte.
Das scheint übrigens zu stimmen. Also, daß Miriam nicht das Gefühl bekommt, ihr helft ihr nur aus Mitleid!“
„Dann hol sie doch!“ sagte Mama. „Worauf warten wir?“
An einem Samstagnachmittag rollte Jessicas komischer, kleiner Wagen wieder vor unser Gartentor. Der erste, der Miriam willkommen hieß, war Bisken. Er war immer maßlos aufgeregt, wenn ein Auto vor unserem Haus hielt. Er rannte los, erkannte anscheinend Jessica wieder und begrüßte sie stürmisch. Dann untersuchte er durch eifriges Schnüffeln die zweite Ankommende. Anscheinend war sein Eindruck von ihr der beste, denn er kratzte freudig an ihren Beinen, sprang hoch, so weit er es mit seinem dicken, kleinen Körper schaffte, und winselte begeistert.
Seine Begeisterung war berechtigt.
Ich glaube, ich habe noch nie ein so hübsches Mädchen wie Miriam gesehen. Gertenschlank, gut gewachsen, mit einem wunderschönen Gesicht. Ein feines Profil, zwei große, dunkelbraune Augen, eine hohe Stirn, dunkelbraune, beinahe schwarze, gelockte Haare. Die Hand, die sie mir reichte, war schmal und schön geformt.
Auf ihrem Gesicht war nach Biskens stürmischer Begrüßung ein kleines Lächeln. Dieses Lächeln machte sie noch hübscher, und es zeigte zwei Reihen blendendweißer Zähne.
„Herzlich willkommen, Miriam!“ sagte Mama mit ihrer guten, sanften Stimme. „Ja, ich darf doch ganz einfach Miriam sagen? Großartig, daß Sie kommen, Sie ahnen ja nicht, wie dringend wir Sie brauchen!“
„Ich danke Ihnen, daß ich kommen durfte“, erwiderte Miriam. Ihre Stimme war genauso schön wie ihr
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