Kleiner Kummer Großer Kummer
nächsten Telefonanruf wieder danach gefragt werde.«
»Elf bis vierzehn Tage.« Ihre Lippen waren sehr nahe.
»Und ist ein Klumpfuß ansteckend?«
»Jedes Ding hat seine Zeit und seinen Platz«, sagte ich und zog sie fest an mich.
An diesem Abend sprachen wir nicht weiter über Klumpfüße.
Wir beschlossen, daß Bridget gekündigt werden mußte, da sie nicht zu erziehen war, und daß Miss Hornby, meine Sekretärin, einmal in der Woche einen ganzen Tag kommen sollte, damit Sylvia ausgehen und sich unter den verschiedenen Marterinstrumenten des Friseurs vergnügen könnte. Im stillen dankte ich Ted Jenkins, daß er mich sicher über die erste Hürde des Ehehindernisrennens gebracht hatte. Jetzt begannen die Dinge ruhiger zu laufen.
Als ich mich entschlossen hatte, die wissenschaftliche Laufbahn aufzugeben und den Arztberuf praktisch auszuüben, hatte ich mir vorgenommen, daß ich mich niemals damit begnügen wollte, zu einem der vielen Hausärzte zu werden, die von dem Augenblick, da sie zum erstenmal ihren Fuß ins Sprechzimmer setzten, bis zu ihrem Tod oder ihrem Ruhestand nach fünfzig Jahren niemals eine medizinische Fachzeitschrift lasen oder sonst den Versuch machten, sich up to date zu halten. Immer wieder war die Rede von dem absinkenden Niveau des praktischen Arztes durch die Einführung des staatlichen Gesundheitsdienstes. Um den Hausarzt auf seinem früheren, hochangesehenen Stand zu halten, waren drei Dinge nötig: das Vertrauen seiner Patienten, die Achtung seiner Kollegen und die Fähigkeit, seinen Posten angemessen auszufüllen. Dieser letzte Punkt schien mir der wichtigste. Ein Nachlassen in den Bemühungen, mit den neuesten medizinischen Erfahrungen Schritt zu halten, konnte nur dazu führen, zweitklassige Arbeit zu leisten. Abgesehen davon, daß es ungerecht gegenüber den unter meiner Obhut stehenden Patienten gewesen wäre, hätte mir das nie gelegen. Es gab nicht nur gute medizinische Fachzeitschriften, die in jeder Woche irgendeine neue medizinische Erkenntnis beschrieben, sondern auch kostenlose Wiederholungskurse für praktische Ärzte in allen Teilen des Landes. Da diese Kurse immer sehr beliebt und voll besetzt waren (besonders wenn sie in der Reichweite eines guten Golfplatzes lagen), hatte ich mich im letzten Jahr zu einem Kursus angemeldet, der in zwei Monaten in Edinburgh stattfinden sollte.
Mir paßte es gar nicht, Sylvia allein zu lassen, nachdem wir erst so kurze Zeit verheiratet waren, und es behagte mir auch nicht,
meine Patienten schon so bald wieder zu verlassen, nachdem ich mir gerade erst Urlaub für meine Flitterwochen genommen hatte. Sylvia und ich besprachen das Problem in aller Ausführlichkeit und kamen zu dem Entschluß, daß es vor allem im Interesse der Patienten sei, wenn ich zu dem Kurs führe, und daß wir es beide überleben würden, wenn es mir auch noch so schwerfiele, sie zurückzulassen, und ihr, allein zurückzubleiben. Es war immerhin nur für zwei Wochen, und wir konnten uns jeden Tag schreiben oder telefonieren.
Nachdem dieses Problem entschieden war, galt der nächste Schritt der Besorgung eines Vertreters. Ich rief bei der zuständigen Ärztekammer an und schrieb meinen Namen in ihrer Liste ein.
In der Sprechstunde hatte ich ein wachsames Auge für meine Patienten, die im Autohandel tätig waren, und erzählte ihnen meine Wünsche. Vor allem war ich an einem Wagen interessiert, der zuverlässig war; er mußte sofort anspringen, wenn ich in der kältesten Nacht in die Garage wankte; er mußte eine gute Heizung haben, einen Windschutzscheiben-Entfroster, der wirklich funktionierte, elektrische Scheibenwischer mit Scheibenwaschanlage, erstklassige Scheinwerfer - nicht beide an derselben Sicherung - und eine wirkliche Nebellampe. Er mußte wenden können wie ein Londoner Taxi und mühelose Steuerung haben. Er mußte zugfrei sein, der Ein- und Ausstieg mußte auch für Nichtschlangenmenschen einfach sein, und da sein Eigentümer von notorischer Sorglosigkeit sein würde (Morphium und Barbitursäure lagen in meinem augenblicklichen Wagen gewöhnlich unter dem Sitz), mußte er sicher zu verschließen sein. Diese Bedingungen waren für einen neuen Wagen ganz selbstverständlich, aber da ich nun schon so lange gewohnt war, in einem undichten, stotternden, ratternden, rostigen, wischerlosen Kasten auf Rädern zu fahren, hielt ich es für notwendig, meine Bedürfnisse genau zu unterstreichen. Außerdem mußte der Wagen sehr preisgünstig sein, würdevoll
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