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Kleiner Kummer Großer Kummer

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Titel: Kleiner Kummer Großer Kummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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nächste Patient brachte es mir zurück. Um zehn Uhr dreißig war das Wartezimmer praktisch leer, und ich hatte noch immer niemanden gesehen, dem ich ein langes Kabriolett, einen vornehmen M.G. oder einen soliden Rover zutraute. Seltsam, ich öffnete die Tür zum Wartezimmer, um zu sehen, wer noch dort war.
    Mr. Thwaite von »Regent Motors«, Mr. Ironside, Leiter der Blaustern-Garagen, und George Leech, der in einem Gebrauchtwagenhandel tätig war, saßen da und starrten sich durch den Zigarettenrauch, den sie erzeugt hatten, an.
    Ohne die Hände aus ihren Taschen und die Zigaretten aus ihren Mündern zu entfernen, versicherten sie mir alle zusammen, sie hätten in Beantwortung der Fühler, die ich nach einem neuen Wagen ausgestreckt hätte, den würdevollsten (Mr. Thwaite für seinen Rover), den schnellsten (Mr. Ironside für seinen M.G.), den elegantesten (George Leech für sein Kabriolett) für mich ausgesucht.
    Ich hatte einen interessanten und ungewöhnlichen Vormittag. Ich besuchte einen Fall von Windpocken und Mastitis mit dem Rover und ein Emphysem und eine Mandelentzündung mit dem M.G. Einen Krankenbesuch in dem schönsten und vornehmsten Besitztum unseres Bezirkes machte ich in dem offenen Kabriolett. Mein Kopf brummte inzwischen von Kompression, Kühlsystem, Wenderadius, Benzinverbrauch, einziehbarer Antenne, automatischer Gangschaltung und Doppelhörnern.
    Horace H. Brindley war einer der wohlhabendsten Männer in der Nachbarschaft. Außerdem war er mein einziger Privatpatient. Früher einfach Bert Brindley aus der Provinz, hatte er das Glück gehabt, daß seine Fahrrad-Reparaturwerkstatt genau im Zentrum eines Grundstücks lag, auf dem eins der großen Einheitspreisgeschäfte die Errichtung eines neuen Ladens plante.
    Unterstützt und beraten von seinem Freund, der ihm das Geld geliehen hatte, um sich selbständig zu machen, und von seiner angeborenen Schlauheit, die er von seinem Vater geerbt hatte - der es fertigbrachte, sich selbst und seine Familie zu unterhalten, ohne daß er je mehr als zwei oder drei Wochen auf einen Streich gearbeitet hätte -, verweigerte er fest die ersten versuchsweisen Angebote, die man ihm schmackhaft vor die Nase hielt. Man hatte schon mit dem Bau rund um ihn herum begonnen, bevor Bert Brindley beschloß, daß der Preis inzwischen richtig wäre, die Provinz verließ, um nie zurückzukehren, und die H. H. Brindley Fahrradgesellschaft entstehen ließ, deren Erzeugnisse in der ganzen Welt bekannt waren und gekauft wurden. »H. H.«, wie er sich jetzt gern nennen ließ, kletterte, nachdem er den ersten Anstoß bekommen hatte, stetig die Leiter empor. Er heiratete eine Frau, wenn auch nicht von der obersten Stufe, so doch ein gut Teil Stufen höher als er, wurde als öffentlicher Wohltäter bekannt, hängte einen Seurat und einen Manet an seine Wände, war auf Gesellschaften zu sehen und führte ein luxuriöses Leben. Durch einen Glückszufall war er mein Patient geworden, als er vor einem Jahr in unsere Gegend umzog.
    Sein Hausmädchen war die Tochter des alten Hodge, unseres Gärtners und Handlangers. Sie hatte eines Morgens sein Rufen gehört, als er sich gebückt hatte, um eine Zeitung aufzuheben, und sich nicht wieder aufrichten konnte, und sie war es, die mich angerufen hatte. Beglückt über meine Behandlung seines Hexenschusses, bat er mich, mit der Behandlung fortzufahren und auch seine Familie zu behandeln, wenn es nötig sein sollte. Ich war erfreut, vor allem als er mir sagte: »Ich hab’ ’ne Menge Moos, ich nehme nichts umsonst. Sie nehmen doch Privatpatienten an, Junge?« Ich versicherte ihm, daß ich das natürlich täte, obgleich er und seine Familie meine einzigen bar zahlenden Kunden blieben.
    An diesem Morgen saß er in seinem Bett, gegen die pfirsichfarben gepolsterte Rückwand gelehnt, rauchte eine lange Brasil und las eine Börsenzeitung, die Brille auf der Spitze seiner Nase.
    »Es ist mein Herz, Junge«, erzählte er mir, zeigte auf seine Brust und legte seine Zeitung beiseite, »und wenn irgend etwas nicht stimmt, dann sagen Sie es mir bitte ehrlich.«
    Ich ließ mir seinen Zustand berichten und untersuchte ihn sorgfältig, konnte aber nichts feststellen. Ich versicherte es ihm und fragte ihn, ob er irgend etwas auf dem Herzen habe.
    »Um ganz ehrlich zu sein«, sagte er, indem er aus dem Bett kletterte und seine Schlafanzughose fester um seinen runden Bauch zog, »ich habe etwas auf dem Herzen. Ich mache mir Sorgen um Tessa. Sie ist ein liebes

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