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Kleiner Kummer Großer Kummer

Kleiner Kummer Großer Kummer

Titel: Kleiner Kummer Großer Kummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Durcheinander, das ich auf dem Frühstückstisch zurückgelassen hatte, entfernen konnte.
    »Hallo!« rief sie plötzlich.
    Ich kam ins Zimmer zurück. »Was ist, Schatz? Ich muß mich beeilen.«
    »Du scheinst einige sehr reiche Patienten zu haben.«
    Ich trat zu ihr ans Fenster. Vor dem Haus standen zusammen mit der üblichen Ansammlung von kleineren Wagen, Motorrädern, Fahrrädern und Kinderwagen drei wohlhabend aussehende Wagen: ein hellblaues, unendlich langes amerikanisches Kabriolett, ein flaschengrüner, hochnäsig aussehender M.G. und ein vornehmer schwarzer Rover.
    Sie sahen sehr eindrucksvoll aus, und ich ärgerte mich, daß ich mir nicht die Mühe gemacht hatte, einen steifen, weißen Kragen anzulegen.
    Die Sprechstunde war wieder einmal sehr turbulent. Zehn Minuten wurden allein von einem Streit mit Mrs. Rumbold in Anspruch genommen. Das lag schon lange in der Luft, und ich wunderte mich daß es nicht eher dazu gekommen war.
    Obwohl die allgemeinen Grundsätze des Nationalen Gesundheitsdienstes anzuerkennen sind, stellte sich die Verwaltung sehr oft als eine verwickelte und zeitraubende Angelegenheit heraus. Ich versuchte immer, einen goldenen Mittelweg für die zahllosen an mich gerichteten Wünsche zu finden; ich versuchte, die Patienten zufriedenzustellen, ohne für den Gesundheitsdienst unnötig hohe Kosten zu erwirken. Manchmal war das jedoch nicht so einfach, und ich kam mir oft wie ein römischer Diktator vor, der sich dadurch beliebt machte, daß er kostenlos Korn unter der Bevölkerung verteilte; nur war es in meinem Fall nicht Korn, das ich austeilte, sondern kostenlose Schlaftabletten, Schlankheitspillen, Hustensäfte, Grippevorbeugungsmittel, Pillen zur Beruhigung oder Anregung, Krankheitsbescheinigungen für die Arbeitsstelle, für die Schule, für Kohlen, für Höhensonne, fürs Gemeindeamt und für Korsetts.
    Im großen und ganzen fand ich die Patienten verständig, wenn ich sie wegen ausgefallener Wünsche schalt. Nicht so Mrs. Rumbold.
    Sie war ein richtiger »Stöhner«. Sie übersah die Tatsache, daß ich sie während des letzten Jahres durch meine prompte Diagnose bei ihrem perforierten Blinddarm vor einem frühzeitigen Tod gerettet hatte, eins ihrer Kinder vom Bettnässen heilte, für ihren kränklichen Mann sorgte und wenigstens zweimal in der Woche ein oder zwei Mitglieder ihrer. Familie in meiner Sprechstunde sah. Trotzdem war nichts, was ich tat, jemals gut genug. In einem Jahr hatte sie gegen ihren Beitrag für Gesundheitsdienst mehr Besuche, Operationen, Verbände, Pillen, Einrenkungen und Stärkungsmittel bekommen, als ich verantworten konnte. Jetzt bat sie um Eisentabletten. Ich weigerte mich, sie ihr zu geben.
    »Ich glaube, sie würden mir guttun«, sagte sie, als sie ihre Glacehandschuhe auszog. »Doktor Compton hat meiner Freundin welche verschrieben, als sie sehr herunter war, und sie haben ihr unendlich gutgetan.«
    »Sicherlich hatte Ihre Freundin Eisentabletten nötig, Mrs. Rumbold«, sagte ich. »Erst in der letzten Woche habe ich eine Blutuntersuchung bei Ihnen gemacht, als Sie darüber klagten, daß Sie sich schwindelig fühlten, aber Sie sind nicht im geringsten blutarm. Ich halte es nicht für nötig, sie Ihnen zu verschreiben.« Sie schob ihr Gesicht mit seiner scharfen Nase und den dünnen Lippen näher zu mir her.
    »Es ist doch erlaubt, sie zu verschreiben, nicht wahr?« fragte sie
    durchdringend.
    »Nach meinem Gutdünken.«
    »Ich sage Ihnen, ich brauche sie, Doktor. Ich bin gänzlich erschöpft.«
    Ich stand auf. »Sie würden Ihnen nicht gut bekommen, Mrs. Rumbold, und ich weigere mich, sie Ihnen zu verschreiben. Sie können nicht selbst die Diagnose stellen und erwarten, daß ich mich danach richte. Ich bin der Arzt, nicht Sie.«
    »Gut!« sagte sie, stand auf und bebte vor Entrüstung. »Sie haben mir nie den kleinsten Gefallen getan. Ich werde mich beim Gesundheitsdienst beschweren. Ich werde zu dem Arzt meiner Freundin überwechseln. Er ist ein Harley-Street-Mann.«
    »Doktor Compton wird Sie willkommen heißen«, erklärte ich grob, ich war mit Mrs. Rumbold vollkommen fertig. Es tat mir leid, daß ich meinem Konkurrenten sieben Karten des Nationalen Gesundheitsdienstes übergeben mußte, aber ich gönnte ihm Mrs. Rumbold. Sie rauschte eindrucksvoll an mir vorbei und aus dem Sprechzimmer hinaus. Ihr Abzug wäre noch würdevoller gewesen, wenn sie nicht mein Stethoskop hinter sich her geschleift hätte, das sich an ihrem Schirm festgehakt hatte. Der

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