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Kleiner Kummer Großer Kummer

Kleiner Kummer Großer Kummer

Titel: Kleiner Kummer Großer Kummer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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ginge, würde sie sich am Abend der Party mit ihrem Tee und Toast in die Küche setzen müssen, während wir uns in die gegrillte Ente, die Tournedos oder ein anderes kannibalisches Gericht, für das wir uns entscheiden würden, hineinknieten. Nach weiterem Überlegen schlug sie vor, daß wir am besten alle Tee trinken und Toast essen sollten, weil sie es nicht einmal ertragen würde, etwas Passendes für die Party zu kochen, denn Iris konnte sie höchstens die Bratpfanne anvertrauen, und darüber waren sie und ich bei unserer augenblicklichen Lebensweise hinaus.
    Ich versprach ihr, daß ihre Übelkeit in wenigen Wochen vollkommen verschwunden sein und sie höchstwahrscheinlich an nichts anderes als Essen und Eßbares denken würde - wie mir meine schwangeren Patientinnen immer bestätigten - »genug für zwei«. Darum beschlossen wir, die Frage des Menüs auf ein späteres Datum zu vertagen.
    Als wir vor unserem Haus vorfuhren, sah ich Iris’ brennenden Haarbusch hinter der Wohnzimmergardine hervorlugen. Kurz darauf kam sie aus dem Haus herausgeschossen.
    »Oh! Doktor«, rief sie, »ich habe einen Mann im Wartezimmer mit einem Hals - so!« Sie drehte ihren Kopf, bis er vollkommen verzerrt saß. »Er leidet schrecklich, aber ich habe ihn hingesetzt und gesagt, daß Sie das ganz bestimmt wieder in Ordnung bringen würden.« Iris hatte unerschütterliches Vertrauen zu meiner Heilkraft. »Ich hole Ihre Tasche«, rief sie und lief zum Wagen.
    »Die werde ich nicht brauchen, Iris«, sagte ich. »Gehen Sie zu ihm und sagen Sie ihm, daß ich in wenigen Minuten da bin.«
    Mr. Westbeech, der gutaussehende Leiter unserer Volksbibliothek, hatte eine Verrenkung des Halswirbels und, wie Iris schon sagte, ernsthafte Schmerzen. Ich entschloß mich, die Einrenkung zu versuchen, und bat ihn, sich mit dem Kopf am Fußende auf die Couch zu legen. Nachdem ich mich hinter seinen Kopf gestellt hatte, veranlaßte ich ihn, sich an den Seiten der Couch festzuhalten, während ich an seinem Kopf zog. Es ging nicht. Jedesmal, wenn ich zog, glitten seine Hände am Leder der Couch ab, und er rutschte zu mir her. Ich brauchte eine Hilfe, um ihn an den Schultern festzuhalten. Nachdem ich Mr. Westbeech gebeten hatte, einen Augenblick still zu liegen, ging ich, um Sylvia zu holen.
    In der Küche saßen Sylvia und Iris mit ihren Teetassen und schwatzten, wie sie es fast immer taten, über Babys. Ich erklärte Sylvia, wozu ich sie brauchte, und sie stand auf. Iris schob sie aber sanft auf ihren Stuhl zurück und sah mich wütend an.
    »Sie können sie doch nicht ins Sprechzimmer holen, damit sie zieht und stößt«, schimpfte sie. »Denken Sie denn gar nicht an das Baby?« Sie band ihre Schürze ab. »Ich werde Ihnen helfen.«
    Iris hatte vollkommen recht, das Baby hatte ich vollkommen vergessen. In der Halle warf Iris noch schnell einen Blick in den Spiegel und zupfte ihr Haar zurecht. »Kommen Sie«, sagte ich ungeduldig, »Sie sollen nur seine Schultern für mich festhalten und nicht mit ihm tanzen.«
    Iris kicherte.
    Ich erklärte Mr. Westbeech, daß Iris sich neben ihn auf die Couch setzen und seine Schultern, so fest sie konnte, zu sich heranziehen würde. Wenn es mir gelänge, seinen Hals so weit wie möglich auszudehnen, würde der Wirbel sanft in seine Lage zurückgleiten. Iris suchte sich den richtigen Platz auf der Couch und hielt mit festem Griff die breiten Schultern des leidenden Mr. Westbeech. Vorsichtig, aber fest begann ich, seinen Kopf mit beiden Händen zu mir heranzuziehen. Ich war rot im Gesicht vor Anstrengung, und Iris zog mit allen Kräften. Zwischen uns beiden lag Mr. Westbeech mit geschlossenen Augen und hoffte das Beste. Der Hals war noch nicht vollkommen ausgedehnt. Ich zog ein wenig fester: Iris, die nicht imstande war, genauso hart wie ich zu ziehen, mußte loslassen und fiel in die Arme von Mr. Westbeech, der vor Schmerzen aufschrie, als sein Hals in die bisherige schmerzhafte Lage zurückrutschte.
    »Oh! Iris!« rief ich vorwurfsvoll, obwohl es nicht ihr Fehler gewesen war - das arme Mädchen. Sie errötete und erhob ihren Kopf von Mr. Westbeechs Kamelhaarjacke.
    »Verzeihung«, flüsterte sie.
    Mr. Westbeech seufzte.
    »Verzeihung, alter Junge«, sagte ich; »wir werden es noch einmal versuchen. Wenn wir diesmal keinen Erfolg haben, werde ich Sie in die orthopädische Klinik schicken müssen. Die haben eine Spezialvorrichtung für solche Fälle.«
    Da mir bei der Anstrengung der Schweiß ausgebrochen war, zog ich meine

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