Kleiner Kummer Großer Kummer
Jacke aus und rollte meine Ärmel hoch. Iris setzte sich wieder auf die Couch, und Mr. Westbeech ballte seine Fäuste.
»Los«, rief ich Iris zu, »ziehen!«
Der Sekundenzeiger der Wanduhr glitt lautlos, herum. Meine Stirn war feucht, Iris war blaß vor Entschlossenheit, ihren Griff nicht zu lockern, und Mr. Westbeech stöhnte leise. Plötzlich gab es einen »Klick«. Der Wirbel war, so hoffte ich, in seine normale Lage zurückgesprungen. Sehr langsam verringerte ich die Dehnung seines Halses. Iris setzte sich aufrecht und strich sich ihre Haare aus den Augen. Ich bat Mr. Westbeech, einen Augenblick liegen zu bleiben und dann sehr vorsichtig zu versuchen, sich aufzusetzen. Als ich meine Jacke angezogen hatte, hatte er sich auf gerichtet und bewegte behutsam seinen Kopf von einer Seite zur anderen.
»Es hat geklappt!« Seine Stimme klang noch etwas skeptisch. »Es hat wirklich geklappt! Das war schrecklich, Doktor, und so schmerzhaft. Ich habe mich nur gereckt, um von einem hohen Bord ein Buch herunterzunehmen, und da konnte ich meinen Kopf nicht mehr zurückdrehen.« Er rieb seinen Nacken und beugte ihn. »Es dürfte jetzt in Ordnung sein«, beruhigte ich ihn. »Aber dieser Zustand tritt gelegentlich wieder ein, wenn es erst einmal passiert ist. Versuchen Sie, in den nächsten ein oder zwei Tagen jede schnelle Kopfbewegung zu vermeiden, damit es sich erst wieder etwas festigen kann.«
Er stand auf. »Nochmals vielen Dank, Doktor. Ich werde vorsichtig sein.«
Darauf wandte er sich zu Iris und grinste: »Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Keine Ursache.« Iris errötete. »Es tut mir leid, daß ich Sie so drücken mußte.«
»Zu jeder anderen Zeit wäre es mir ein Vergnügen gewesen.«
Ich hatte den Eindruck, daß es Zeit war, das Gespräch zu beenden, und öffnete die Tür.
Iris sprang vor und zupfte zwei lange rote Haare von Mr. Westbeechs Jacke.
»Ihre Frau glaubt Ihnen sonst vielleicht nicht, woher sie stammen«, lächelte sie.
Mr. Westbeech zwinkerte ihr zu. »Ich bin nicht verheiratet, aber trotzdem vielen Dank.«
10
Faraday, Tessa Brindley, die Lovedays, Molly und ihr Freund, alle nahmen unsere Einladung begeistert an. Sylvia wurde es jetzt beim Anblick oder bei der Erwähnung von Speisen nicht mehr übel, so daß wir nun auch unsere Entscheidung wegen des Menüs getroffen hatten. Es durfte nicht allzu großartig werden, weil Humphrey Mallow angeordnet hatte, daß Sylvia sich wegen ihres zu hohen Blutdrucks so viel wie möglich Ruhe gönnen müsse. Ihr selbst hatten wir nur gesagt, daß sie sich schonen solle, und sie ging reizend darauf ein.
Zur Frühstückszeit am Tage vor der Party meinte Sylvia: »Ich nehme an, daß du dir bis morgen noch die Haare schneiden lassen wirst.«
»Unmöglich«, erklärte ich, »ich habe heute keinen Augenblick Zeit, und morgen wird früh geschlossen. Da werde ich bis nächste Woche warten müssen.« Ich konzentrierte mich wieder auf einen Brief, der einen Bericht über einen Patienten enthielt.
»Dann geh irgendwohin, wo man nicht so früh schließt«, beharrte Sylvia.
Ich blickte sie überrascht an. »Mach dich nicht lächerlich. Seit ich hier wohne, hat mir Bob Flower meine Haare geschnitten. Ich kann genausowenig zu einem anderen gehen, wie er einen anderen Arzt konsultieren würde. Bob würde schwer beleidigt sein. Und außerdem habe ich keine Zeit.« Ich nahm den Brief wieder auf. »Immerhin habe ich sie erst letzte Woche schneiden lassen«, fügte ich abschließend hinzu.
»Im letzten Moment, meinst du. Liebster, du kannst doch morgen unmöglich so aussehen. Nicht, wenn du der Gastgeber bist. Du wirst dir einen Augenblick Zeit nehmen müssen.«
»Ganz gleich, wie ich aussehe, Faraday hat mich bestimmt schon schlimmer gesehen, und die Lovedays auch. Vor meiner Heirat habe ich mir mein Haar noch seltener schneiden lassen, das habe ich immer vergessen. Und was Tessa Brindley anbetrifft, sie kommt ja nicht, um mich anzusehen. Ich kann wirklich nicht einsehen, warum du dich darüber auf regst.«
»Nun, mich ärgert es«, antwortete Sylvia mit tränenerstickter
Stimme, »ich möchte nicht, daß mein Ehemann den Vorsitz an der Tafel führt mit Haaren, die ihm bis auf die Schulter hängen.«
Ich seufzte. »Reg dich nicht auf, Liebling. Es ist alles halb so wild!«
»Es ist schlimm genug«, entschied Sylvia.
Ich hatte schon seit einiger Zeit beobachtet, daß Sylvia sich immer schwerer beherrschen konnte und sich über Lappalien aufregte, und machte mir
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